0943 - Das Vampir-Phantom
bewegte er seinen Kopf nach rechts und links, um uns unter Kontrolle zu halten. Dabei blieb sein Mund offen.
Der Vampir rollte mit den Augen; er war in die Defensive gedrängt worden, das wußte er, aber er wollte es nicht akzeptieren. Das Blut befand sich fast zum Greifen nahe entfernt, nur die Gitterstäbe trennten ihn noch, und gegen sie wuchtete er seinen Körper.
Er klebte plötzlich daran fest und schrie wirklich tierisch. Mir kam er vor wie ein Mensch, der mit einer Hochspannungsleitung in Berührung gekommen war und nicht mehr davon loskam. Nur schüttelten ihn keine Stromstöße. Das Rütteln und Zerren an den Stahlstäben hatte er selbst zu verantworten.
Mit aller Macht versuchte er, sie auseinanderzubiegen, was ihm nicht gelang, trotz seiner übermenschlichen Kraft. Die Gitter waren aus bestem Stahl gefertigt, sie hielten, und seine Hände rutschten ab, als er die Arme zur Seite drücken wollte.
Der Anfall ging vorbei. Er taumelte zurück. Seine Augen waren jetzt leicht blutunterlaufen, als hätten sich die letzten Tropfen seines eigenen Blutes noch darin verloren.
Ich hatte die Zeit genutzt und mein Kreuz hervorgeholt, das durch meine Hand noch verdeckt wurde. Der schwache Wärmestrom floß über das Metall wie laues, unsichtbares Wasser. Ich trat einen Schritt nach vorn und blieb vor dem Gitter stehen.
Das hatte der Vampir mitbekommen. Er sah mich als Opfer an, und plötzlich wuchtete er seinen Körper auf das Gitter zu, Ich zeigte ihm mein Kreuz.
Er stoppte. Er schrie. Er drehte sich so heftig auf der Stelle um, daß er durch den Schwung zu Boden fiel und hart aufschlug. Heulend und die Hände gegen das Gesicht gepreßt rollte er um die eigene Achse, bis er die Beine ausbreitete und zur Ruhe kam. Nur für einen Moment blieb er auf dem Bauch liegen, dann zog er die Beine an und stemmte sich auf die Knie, mir den Rücken zugedreht, den Kopf nach vorn gebeugt, die Hände vor sein Gesicht gehalten. Ein Häufchen Elend, das zusätzlich noch jammerte und stöhnte.
Ich ließ ihn in Ruhe. Neben mir stand Suko. Die Beretta hielt er zwar in der Hand, aber die Mündung zeigte zu Boden. Sir James hielt sich an der anderen Wand des Ganges auf. Er räusperte sich und flüsterte dann: »Sie hatten recht, John. Und es war gut so, wie wir reagiert haben. Wäre jemand in seine Zelle gegangen, es wäre Schreckliches passiert. Dann hätten wir die Vampirpest im Yard Building gehabt.«
Ich nickte nur.
Radonescu kniete noch immer und drehte uns den zuckenden Rücken zu. Es fiel ihm schwer, sich vom Anblick des Kreuzes zu erholen, und ich ließ es zunächst einmal verschwinden, was er aber nicht mitbekam.
»Jetzt warte ich nur noch auf das verdammte Phantom«, hörte ich Suko flüstern.
»Es wird nicht erscheinen.«
»Ist er ihm nicht wichtig genug?«
»Genau. Bei Lucy Tarlington war das anders.«
»Wieviel kann er wissen?«
»Hoffentlich etwas mehr als gewöhnlich. Wir werden ihn fragen müssen.«
»Willst du hinein?«
»Darüber habe ich schon nachgedacht, aber nicht unbedingt. Wir haben freie Bahn für später.«
Was das bedeutete, wußte Suko, denn er nickte. Als hätte der Vampir diese Bewegung gesehen, so stemmte er sich hoch, ging aber noch geduckt auf seine Bettpritsche zu und ließ sich dort nieder. Er drehte sich langsam um, so daß er uns schließlich anglotzen konnte.
Sein Gesicht war feucht geworden. Auch klebte Schmutz daran. In den Augen schien ein Licht zu leuchten, so sehr flackerte der Blick. Dann bewegte er seinen Mund, und wir hörten ihn leise und zischend sprechen, wobei er die Worte nur mühsam hervorbrachte. »Ich will zurück in die Dunkelheit. Kein Licht! Es schmerzt - es tut mir nicht gut. Dunkel, ich will wieder ins Dunkel.«
»Das kannst du auch«, erwiderte ich flüsternd. »Wir werden dafür sorgen, daß dich die Dunkelheit als einen Freund aufnimmt.« Er verstand den doppelbödigen Sinn meiner Worte nicht und bewegte seine Hände wie Krallen. Dann schaute er hoch.
Wir starrten uns an.
Sein Mund zitterte. Die Zähne vibrierten. Sie gierten danach, in Haut und Fleisch zu schlagen, und er sah die drei Blutträger wieder vor sich. Tief aus seiner Kehle drang ein leises Heulen. Es klang so ähnlich wie bei einem Wolf.
Ich versuchte es mit der ersten Frage. »Wo ist Lucy Tarlington? Sag es uns. Hat sie dich besucht?«
Er schüttelte den Kopf. »Wer war es dann?«
»Blut,« flüsterte er.
»Ich weiß, daß du Blut willst, aber wer hat dich besucht? Kannst du dich daran
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