0943 - Das Vampir-Phantom
haben keine Hinweise gefunden, die uns jetzt weiterhelfen können?«
»Nein, Sir, das ist ja das Problem. Wir haben es wirklich intensiv gelesen. Es waren Aufzeichnungen aus dem letzten Jahrhundert, doch bevor es richtig spannend wurde, endete das Tagebuch. Es gab keine weiteren Hinweise.«
»Auch nicht auf unser Vampir-Phantom?«
»Nein. Es wurde auch nicht namentlich erwähnt. Lucy hat nur von ihrer Erwartung geschrieben. Als sie das Tagebuch abschloß, war der Blutsauger noch nicht bei ihr. Zumindest hatte sie keinen direkten Kontakt zu ihm gehabt, aber sie stand dicht davor. Sie muß dann verschwunden sein, und das hundert Jahre lang, und sie ist erst jetzt wieder aufgetaucht, wobei sie sich auch unter die Londoner Gesellschaft gemischt hat. Gewissermaßen als Darling, den jeder irgendwie kennt, aber von dem man so gut wie nichts weiß. Sie hat schließlich den Kontakt mit einem wendigen Geschäftsmann aufgenommen, der durch unser Eingreifen glücklicherweise nicht zu ihrer Blutbeute wurde und uns, wenn auch unter Schock stehend, berichten konnte, worum es ging.«
»Leiharbeiter. Menschenschmuggel.«
»Richtig, Sir. Lucy muß die besten Beziehungen aufgebaut haben, um die Männer aus Rumänien über die grüne Grenze in die anderen Länder schmuggeln zu können. Hier in England wollte sie die Leute an Hal Doring ›verkaufen‹. Dazu ist es nicht gekommen.«
Sir James hatte seine Augenbrauen zusammengezogen. Sein Gesicht war von Sorgenfalten durchzogen. »Ist Ihnen die Zahl dieser Leute bekannt, John?«
»Leider nicht.«
»Und Sie wissen auch nicht, wo sie versteckt gehalten werden?«
Ich hob die Schultern.
»Darf man vom Schlimmsten ausgehen? Oder müssen wir das schon? Sie wissen, was ich meine.«
»Ja, Sir, das weiß ich. Und ich hoffe, daß Sie ebensowenig rechtbehalten wie ich, denn dann würde es grausam. Wenn Lucy Tarlington diese Menschen zu ihren Opfern gemacht hat, dann verfügt sie über eine kleine Kompanie von Vampiren, die sie jede Minute aus ihrem Versteck freilassen kann. Was das bedeutet, brauche ich Ihnen nicht zu sagen.«
»Nein, sicherlich nicht. Sie würden das Land überfluten, sie würden sich Blut holen, sie würden…«
Sir James winkte ab. Er war plötzlich blaß geworden. Auf seiner breiten Stirn schimmerten Schweißtropfen. Dann nahm er die Brille ab und putzte die Gläser, weil sie leicht beschlagen waren.
»Es ist jetzt vorrangig, daß Sie beide das Versteck dieser Rumänen finden.«
»Sie sagen es, Sir.«
»Und dazu brauchen wir Marek«, erklärte Suko.
Sir James hatte seine Brille wieder aufgesetzt und bot einen normalen Anblick. Ohne seine Sehhilfe hatte er auf uns doch ein wenig zu fremd gewirkt.
»Es gibt ein Versteck«, sagte unser Chef, bevor er ruckartig den Kopf anhob, uns fixierte und sofort die nächste Frage hinterher schickte. »Wo?«
»Wenn wir das wüßten«, murmelte Suko.
»Aber Sie haben einen Verdacht?« Er lehnte sich zurück und ließ den Lederstuhl auch kippen.
»Llanfair?«
»Ja.«
»Warum dort?«
»Da kennt sich Lucy Tarlington aus, Sir. Dort ist sie auch gesehen worden. Sie hätte auch woanders hingehen können, aber sie kommt von dort. Möglicherweise finden wir sogar ihr Elternhaus. Außerdem ist sie als die blutige Lady zu einer Dorflegende geworden. Wenn es einen Ort gibt, wo sie ihre Helfer verstecken kann, dann eben in Llanfair,«
»Und Marek besitzt das Pendel?«
Jetzt lächelte ich. »Genau die ultimative Waffe, um Vampire aufspüren zu können.«
»Die Sie ausschalten müssen.«
»Ja, Sir - alle.«
»Auch vierzig oder fünfzig?«
»Wir rechnen damit.«
Das Gesicht unseres Chefs wirkte versteinert. Auch Suko und mir war das Lächeln vergangen.
»Wissen Sie, was das bedeutet, John - Suko? Wissen Sie das? Sie werden vor diesen Blutsaugern stehen, nehme ich mal an, und Sie werden kaum genügend Munition haben oder nicht schnell genug schießen können, wie auch immer. Das ist die eine Seite. Aber es gibt noch eine andere. Wie verkraften sie eine derartige Tat seelisch? Ich gebe zu, es ist nicht der erste Vampir, den Sie erlöst haben, aber wenn eine derartige Menge auf Sie zukommt, dann kann das möglicherweise schwerwiegende Folgen haben. So abgestumpft ist niemand.«
Er wartete auf eine Antwort, die er von mir bekam. »Natürlich habe ich darüber nachgedacht. Es wird nicht einfach werden, falls wir es überhaupt packen, aber jemand muß es tun. Wir können nicht zulassen, daß Lucy mit dieser Vampir-Kompanie loszieht
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