0945 - Verdammte Totenbrut
möchten wirklich nichts essen, Madam?«
»Nein. Das ist mir alles zuviel.«
»Wir haben frische Hörnchen. Unser Bäcker hat mal in Frankreich gearbeitet. Ich kann sie nur empfehlen.«
»Gut, dann bringen Sie mir eines.« Wendy Starr wollte zwar nicht, sie bestellte schließlich um des lieben Friedens willen. Außerdem spürte sie bereits die Wirkung des Alkohols. Zusammen mit dem Kaffee hatte er sie aufgeputscht. Das Blut schien in ihren Adern zu brennen. Im Café war sie um diese Zeit der einzige Gast. Vorn, an der Theke im Laden kauften zwei Frauen Brötchen ein.
Die Einrichtung paßte zu Wendys Stimmung. Sie war schon einige Jahrzehnte alt, und das Holz schimmerte in einem dunklen Braun. Die runden Tische waren mit Glasplatten bedeckt. Zwischen Holz und Glas lagen noch gehäkelte Decken.
Das Croissant wurde serviert, zusammen mit einem Klecks Butter. Einen zweiten Cognac bestellte Wendy auch noch, und sie kippte ihn in den Kaffee. Dann tat sie Zucker hinein. Die Bedienung beobachtete sie aus einer gewissen Entfernung und wußte nicht, was sie von dieser Person halten sollte.
Wendy aß langsam. Sie schaute dabei ins Leere. Ihre Gedanken bewegten sich in ganz andere Richtungen. Diesen Morgen würde sie nie vergessen können. In diesen Stunden war ihr Leben auf den Kopf gestellt worden. Es braute sich eine Gefahr zusammen, die eigentlich William Cox galt. Doch jetzt, wo sie mit dem Mann zusammen war, wurde auch sie automatisch in den Kreislauf mit hineingezogen.
Sie aß, trank Kaffee und spürte jeden Schluck wie einen heißen Lavastrom durch ihre Kehle rinnen.
Ihr war klar, daß sie etwas unternehmen mußte. Dieses Weglaufen vor den Problemen hatte keinen Sinn gehabt. Das brachte nichts. Sie mußte sich ihnen stellen, aber nicht allein, sondern zusammen mit ihrem Freund.
Nur allmählich erwachte draußen das Leben an diesem trüben und kalten Samstag. Die Behandlungen liefen an. Kurgäste, dick vermummt, marschierten durch die Kälte.
Wendy überlegte nicht mehr lange. Sie kam zu dem Entschluß, daß auch sie nicht mehr länger im Café bleiben wollte. Es brachte nichts, dieses Herumsitzen, das Starren ins Leere, die Beschäftigung mit den eigenen Gedanken, es regte sie nur noch mehr auf. Sie kam zu keiner Lösung, deshalb wurden die Frustrationen immer größer.
Die Bedienung saß an einem Tisch in der Ecke, trank selbst Kaffee und rauchte. Noch hatte sie Zeit, hin und wieder schaute sie zum einzigen Gast hin, und sie sah auch, wie Wendy den Arm hob.
Die Zigarette wurde ausgedrückt, dann kam die Frau auf Wendys Tisch zu. »Sie möchten bezahlen?«
»Ja.«
»War es gut?«
»Es hat geschmeckt.«
»Wunderbar, dann war der Tip doch richtig.« Während Wendy nach dem Geld suchte, stellte die andere Frau noch mehr Fragen. Sie wollte wissen, ob Wendy hier zur Kur war, und sie erhielt nur einsilbige Antworten. Wendy war froh, die dumpfe und trockene Wärme des Cafés verlassen zu können und fror dann, als die Kälte sie umfing. Den Weg jetzt zurücklaufen, gefiel ihr auch nicht, sie wollte sich ein Taxi nehmen. Daß William schon aus London zurück war, daran glaubte sie nicht, aber sie wollte auf keinen Fall später eintreffen als er.
Die Fahrerin war froh, eine Tour zu bekommen, und sie schimpfte, daß der Winter immer so lange dauerte und es für sie nicht viel zu tun gab.
Wendy schwieg.
Sie war mit ihren Gedanken ganz woanders. Die Spuren im Schnee wollten ihr nicht aus dem Sinn.
Dieses Haus hatte unter Beobachtung gestanden, das war sicher, und während der Fahrt schaute sich Wendy immer wieder um. Es war nichts Fremdes zu sehen. Nichts hätte sie beunruhigen können, abgesehen von der eigenen Erinnerung.
Allmählich erwachte die Stadt. Die Sonne kämpfte sich vor, was nicht so einfach war, denn der Himmel hielt seine hohe Wolkendecke fest, so daß der helle Ball mehr zu ahnen war, als zu sehen.
Versteckt hinter mächtigen Mauern, die zum Glück so hoch lagen, daß kein Schnee aus ihnen hervorrieselte.
Wendy war so in ihre eigenen Gedanken versunken, daß sie erst von der Fahrerin angesprochen werden mußte. »Wir sind da. Oder möchten Sie woanders hin?«
»Nein, nein, auf keinen Fall. Was habe ich zu zahlen?«
Sie bekam den Preis genannt, legte noch ein Trinkgeld hinzu und beeilte sich mit dem Aussteigen.
Wendy Starr betrat das Haus noch nicht. Sie blieb vor ihm stehen, als wäre es ein Ort, der Schreckliches ausstrahlte, um jeden Besucher zu warnen und abzuwehren. Dieses Empfinden
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