0945 - Zielort Kristallwelt
Morano ist Blutsauger. Ich kann seine Macht spüren, er hat schon einmal den Blutzwang aktiviert. Mein Status als Fürst der Finsternis und die Magie, die Choquai umgibt, haben mich und meine direkten Untertanen davor geschützt, ihm folgen zu müssen, aber der Ruf war zu vernehmen. Ich werde nun meinerseits die Clanführer zusammenrufen. Ich fürchte, ich kann mich nicht mehr länger heraushalten, und ich werde nicht abwarten, bis so ein machtvolles Wesen wie Morano zuschlägt. Warte hier eine Weile, es wird nicht lange dauern, wir können gemeinsam besprechen, was zu tun ist. Liang ist ein Mensch ohne schwarzes Blut, er wird für dein Wohlergehen sorgen.«
Zamorra lief ein Schauder über den Rücken. »Was willst du tun, Fu Long? Willst du wirklich einen Krieg heraufbeschwören? Das kann nicht dein Ernst sein.«
»Noch herrscht kein Krieg und ich werde auch keinen anfangen«, meinte Fu Long kalt. »Aber ich werde herausfinden, was hinter den Vorgängen steckt, wenn du das meinst.« Er stand auf und sah durch seine Nickelbrille auf Zamorra hinab. Sein Gesichtsausdruck war milde und bei Weitem nicht so feindselig, wie seine Worte gerade geklungen hatten. »Ich danke dir, dass du gekommen bist, mein Freund. Ich verstehe, dass es dich Überwindung gekostet haben muss. Ich denke, Mademoiselle Nicole war sicher nicht mit diesem Besuch einverstanden.«
Zamorra schluckte und konnte Fu Long für einen Moment nicht ansehen. »Nein«, sagte er nach einer Pause. »Nicole wäre wohl wirklich nicht damit einverstanden, wenn sie wüsste, dass wir wieder zusammenarbeiten.«
Fu Long nickte verständnisvoll. »Ich verspreche dir, ich werde nichts von dir verlangen, was deiner Aufgabe als unsterblicher Kämpfer gegen das Böse widerspricht. Wir alle haben unsere Pflichten zu erfüllen. Nur so können wir überleben. Bitte warte hier ein wenig. Ich garantiere dir, es wird dir nichts geschehen.«
Damit winkte er Liang hinter sich her und ging grußlos aus der Bibliothek hinaus. Und ich? , dachte Zamorra. Nun, ich glaube, Fu Long denkt zu Recht, dass ich alleine wieder ins Château zurückfinde.
Aber Zamorra wollte verdammt sein, wenn ihn der Besuch beim Fürsten der Finsternis wirklich beruhigt hatte.
***
Der Schrei war schrecklich. Er ging Sinje-Li durch Mark und Bein.
Für einen Moment konnte sie sich nicht rühren. Es war zu furchtbar, denn dieser Laut, der ganz offenbar in Todesangst ausgestoßen worden war, war nicht nur durch die Ohren zu hören, die bei Vampiren noch einmal ein wenig empfindlicher waren als bei Menschen. Er war auch auf einer anderen, einer geistigen Ebene zu hören gewesen. Tief in den Gedanken. Sinje-Li hatte erst einmal eine Stimme von dieser Gewalt und Macht gehört - und das war Tan Morano gewesen, als er noch auf Korsika gewesen war. Der Stimme damals hatte man einfach gehorchen müssen.
Und auch jetzt sprang Sinje-Li wie angestochen aus dem Bett. Sie war die oberste Leibwächterin des ERHABENEN und es klang verdammt noch mal so, als ginge es diesem an den Kragen.
Sie rannte sofort los, wie immer hatte sie sich in ihren Kleidern zur Ruhe gelegt, damit sie in einem Notfall wie diesem keine Zeit verschwendete. Doch als sie an das Schlafzimmer des ERHABENEN kam, stellten sich ihr zwei Ewige in den Weg.
»Was soll das?«, fauchte die Raubvampirin und entblößte ihre Fänge. »Macht den Weg frei!«
»Herrin«, sagte einer der Ewigen und betonte das Wort auffallend spöttisch. »Erinnerst du dich nicht? Du hast uns in Ermangelung von Vampiren wie dir, die erst noch eintreffen sollen, befohlen, niemanden zum ERHABENEN durchzulassen.«
Sinje-Li holte aus und schlug dem Kerl den Handrücken mit solcher Wucht ins Gesicht, dass er mit einem hörbaren Dong an die Wand prallte und bewusstlos liegen blieb. »Muss ich dir jetzt auch erklären, dass das für mich, seine oberste Leibwächterin, nicht gilt?«, zischte sie den anderen böse an. Es wurde Zeit, dass mehr Vampire von der Erde kamen und die Posten hier einnehmen konnten, damit es keine Zwischenfälle dieser Art mehr gab. Dieses Volk der Ewigen war wirklich sehr effizient, was Widerstand anging. Man hätte denken sollen, dass die Machtdemonstration Tan Moranos im improvisierten Stadion heute mehr als ausgereicht hätte, den Ewigen zu zeigen, wo der Hammer hing, doch es schien, als habe die Hinrichtung der sieben Sampi in einigen Vertretern besonders unter Sinje-Lis Regiment das Gegenteil bewirkt.
Sinje-Li hatte die Blicke schon die ganze Zeit,
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