0947 - Das Voodoo-Weib
der Türnische die beiden Totenköpfe. Wie makabre Wächter waren sie dort in Augenhöhe hingestellt worden. Da über der Glühbirne der Lampe eine flache Scheibe hing, wurde Licht reflektiert, das sich unregelmäßig ausbreitete.
Suko schob sich an mir vorbei. Er suchte nach Bayou, den wir aber nicht entdeckten.
Er kehrte wieder zurück.
»Sie muß hier in der Nähe sein«, sagte ich.
»Sicher, John. Fragt sich nur, hinter welcher Tür sich die gute Leonora versteckt hält.«
Ich wies auf die größere der beiden.
»Okay, gehen wir hin!«
Ich hatte diesmal die Führung übernommen. Vom Lokal her hörten wir kein Geräusch.
Der Lärm der Straße wurde von den dicken Mauern abgewehrt. Ich merkte, daß mir die Stille überhaupt nicht bekam, sie machte mich leicht nervös, so daß ich innerlich zu frieren anfing.
Die Tür sah völlig normal aus. Nichts an ihr wies darauf hin, daß sich hinter ihr etwas Unheimliches befinden könnte, das von einer Frau gelenkt wurde.
Eine Klinke gab es nicht. Dafür einen Knauf, mit dem die Tür geöffnet werden konnte.
Das Kreuz steckte griffbereit in meiner Tasche. Die Beretta war auch einsatzklar, und ich warf noch einen letzten Blick auf meinen Freund und Partner.
Suko hatte ebenfalls vorgesorgt und die Dämonenpeitsche ausgefahren. Sie steckte, mit dem Griff nach unten, in seinem Gürtel und würde uns auch weiterbringen, wenn es hart auf hart kam.
»Okay?« fragte ich.
»Ja.«
Ich drehte den Knauf. Die Tür schwang auf, und so konnten wir das Reich der Voodoo-Frau betreten…
***
Nein, es war kein normaler Raum, auch kein normales Büro, wie man es sich hätte vorstellen können. Uns irritierte im ersten Moment die Beleuchtung, denn die anwesende Person hatte auf elektrisches Licht verzichtet und verließ sich ausschließlich auf den Schein der Kerzen. Sie waren so aufgestellt worden, daß sie hinter ihr einen Halbkreis bildeten, einen großen Teil des Raumes in einem schattigen Dämmer zurückließen, aber ihren Schreibtisch - oder war es ein Altar? - anleuchteten, als wollten sie einer besonderen Person huldigen.
Suko schloß hinter mir die Tür, und ein zweiter Luftzug ließ die Flammen leicht flackern.
So huschten die entstehenden Schatten über Gesicht und Gestalt der Frau wie dünne Fahnen.
»Willkommen! Herzlich willkommen in meinem kleinen Reich, John Sinclair und Suko…«
Sie begrüßte uns mit einer tiefen Stimme, jedenfalls für eine Frau. Oder war es die Stimme eines Mannes?
Wir hielten uns weiterhin zurück, und allmählich gewöhnten sich unsere Augen auch an die Lichtverhältnisse, so daß wir die Wände erkennen konnten, die sich aus dem Dunkel hervorschälten. An ihnen hingen ungewöhnliche Gebilde, die verschiedene Formen zeigten und mir vorkamen wie Masken.
Das war im Augenblick nicht interessant. Einzig und allein die Frau war wichtig.
Die Königin hinter dem Schreibtisch.
Sie hockte auf einem breiten Stuhl mit hoher Lehne, beinahe schon einem Thron. Sein Holz war dunkel gestrichen. Es sah an den Verbindungsteilen knotig aus, als wären dort Teile zusammengeleimt worden, die nicht so richtig zueinander paßten.
Nicht wichtig für uns.
Leonora war wichtiger.
»Aber kommt doch näher«, flüsterte sie. »Gäste wie euch empfange ich nicht jeden Tag…«
Wir taten ihr den Gefallen, und es war auch für uns wichtig, Sichtkontakt zu ihr zu haben.
Was war sie?
Okay, sie war eine Frau, aber nicht irgendeine, und mir schoß durch den Kopf, daß ich schon einige Male diese Art von Frauen erlebt hatte, die sich dem Voodoo-Zauber verschrieben hatten.
Aber sie war anders.
Sie war keine Kreolin, keine dunkelhäutige Person, sie war hellhäutig! Obwohl das Kerzenlicht einen gelblichroten Schein abstrahlte, schien er die Haut der Frau nicht zu erreichen, denn sie blieb relativ blaß, sogar weiß und hell.
Bis auf die Haare. Dunkel und glatt waren sie, nach hinten gekämmt. Trotzdem hatte sie die Frisur im Nacken so verändert, daß Spitzen der Haarflut rechts und links ihre Schultern berührten und durch kleine Außenrollen leicht auflagen.
Ich konzentrierte mich auf das Gesicht. Bedingt durch die Frisur mochte es schmal aussehen, außerdem glatt, denn nicht eine Falte war in der Haut zu entdecken.
Ein relativ kleiner Mund, dessen Lippen zwar fest zusammenlagen, aber auch ein Lächeln zeigte. Es war ein bestimmtes Lächeln, in dem nicht der Hauch einer Unsicherheit mitschwang. So lächelte nur eine Frau, die genau wußte, wer sie war und
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