0947 - Geballte Wut
Fluss, fiel auf die Dächer der Häuser und Kirchen und funkelte durch die hohen Turmfenster von Notre Dame de Paris, dem wohl bekanntesten Gebäude auf der Île de la Cité. Die Luft roch nach neuen Möglichkeiten, nach Urlaub und vor allem nach Romantik.
Es war das Letzte, wonach Rhett Saris ap Llewellyn momentan der Sinn stand. Wieder und wieder warf er Kathryne fragende Blicke zu, während sie gemeinsam mit Dylan McMour und Zamorra den Boulevard du Palais hinuntergingen. Seit sie die Stadt erreicht hatten, schwieg die äußerlich so junge und unbeschwert wirkende Frau, und Rhett wusste den Grund dafür nur zu gut.
Dies war Annes Stadt. Der Ort, an dem sie ihre Mordserie begonnen hatte. Ihren Amoklauf, aus Wut geboren.
Weil sie so lange von Kathryne getrennt ist. Als Anka gleicht Kathrynes gute Hälfte Annes destruktive Tendenzen aus. Aber auf sich allein gestellt, reißt Anne sich selbst ins Verderben - und jeden, der ihr dabei im Weg steht.
Auch die räumliche Trennung trug sicher ihren Teil dazu bei. War es vor der McCain-Episode je dazu gekommen, dass sich Anne und Kathryne zur gleichen Zeit auf verschiedenen Teilen des Kontinents befunden hatten - Anne in Frankreich und Kathryne bei Llewellyn-Castle in Schottland? Er wusste es nicht.
Einzig Dylan schien die Situation nicht im Geringsten zu belasten. Der ehemalige Dämonentourist plauderte ungehemmt vor sich hin - ungeachtet dessen, ob ihm jemand zuhörte. Momentan schwärmte er von den Vorzügen der Seine-Insel im Vergleich zum restlichen Paris. »Wusstet ihr eigentlich, dass die Metro erst seit exakt hundert Jahren hier hält?«, fragte er seine Begleiter. »Ernsthaft, ich hab das mal nachgeschlagen. Anfang des Zwanzigsten Jahrhunderts ließ die Stadt den Fluss unterkellern, um die erforderlichen Tunnel zu schaffen. Zu dem Zweck wurden die Arbeiter in sogenannte Senkkästen gepfercht und an Seilen in die Tiefe gelassen, wo sie dann gruben und buddelten, bis das für damalige Verhältnisse unfassbare Unterfangen geschafft war. Ein architektonisches Meisterwerk.«
Zamorra lächelte leicht. »Da hat aber jemand einen Reiseführer verschluckt«, spottete er jovial.
»Nein, im Ernst«, beharrte Dylan. »Ich finde das absolut interessant. Keine Ahnung, wie genau es vonstattengegangen sein soll, aber so ist es gewesen. Dieser Teil der Stadtgeschichte ist bis in die Gegenwart ein Publikumsmagnet.«
»Mhm«, machte Kathryne und warf dem smarten Mittzwanziger einen Blick zu, der halb genervt, halb mitleidig war.
Rhett hingegen sah zum Professor. Zamorra wirkte besorgter, als er erwartet hatte. »Was hast du?«, fragte der Erbfolger leise und trat neben ihn. »Hinfahren, Anne finden, heimfahren - war das nicht der Plan?«
Zamorra nickte langsam. »Doch je näher wir seinem Ende kommen, desto mehr frage ich mich, ob ich euch nicht besser zuerst ins Château hätte bringen sollen. Außerhalb der M-Abwehr seid ihr - sind wir - deutlich angreifbarer.«
Zu Rhetts Überraschung hatte Dylan den Austausch mit angehört. Nun schüttelte der quirlige junge Mann den Kopf. »Nichts da, Zamorra«, sagte er ernster als Rhett es für möglich gehalten hatte. »Komm mir jetzt bloß nicht mit solchen Argumenten, hörst du? Niemand von uns kneift so kurz vor Schluss. Oder?«
»Ich auf keinen Fall«, pflichtete Kathryne ihm bei. »Anne ist meine Sache. Das ist persönlich.«
»Und unser Erblover hier macht ohnehin, was sein Täubchen ihm empfiehlt, richtig, Schatz?« Bei diesen Worten rieb Dylan Rhett grinsend durchs Haar und zerwuschelte ihm die Frisur.
»Gar nicht«, widersprach Rhett, wusste aber, dass er alles in seiner Macht Stehende tun würde, um Kathryne zu helfen. Um den Schmerz aus ihrem Antlitz verschwinden zu sehen.
Zamorra war nicht überzeugt. »Es ist vielleicht gefährlicher als wir erwarten. Wer weiß schon, was Anne…«
Dylans hochgehobener Finger ließ ihn verdutzt innehalten. »Anne gehört zur Familie, Dämonenjäger«, sagte der junge Mann fest und mit einer Schwere, die seinen Jahren Hohn sprach. »Ein privates, teaminternes Problem, richtig?«
»Richtig«, sagte Zamorra und nickte sichtlich widerwillig.
»Also ist es nur logisch, dass sich das Team dieses Problems annimmt«, fuhr Dylan in seiner Argumentation fort. »Das gesamte Team! Nicht nur der Vorstand.«
»Das unterschreib ich«, murmelte Rhett, griff nach Kathrynes Hand und drückte sie aufmunternd.
Zamorra nickte abermals, doch Rhett sah ihm an, wie wenig ihm die Situation
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