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0947 - Geballte Wut

0947 - Geballte Wut

Titel: 0947 - Geballte Wut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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um ein möglichst sorgenfrei wirkendes Lachen, so passend war sein Kommentar gewesen. »Aber ja, ich gebe dir recht. Dieser Ort ist… falsch, findest du nicht auch? Ich kann es nicht benennen, aber irgendetwas an ihm verströmt…« Sie hielt inne, suchte nach Worten.
    »Feindseligkeit«, schloss ihr Gefährte den Satz. Seine Augen blickten quer durch den Raum, als wollten sie jede Ecke gleichzeitig im Blick behalten. »Wir sollten nicht hier sein.«
    »Oder gerade deshalb«, murmelte sie und nickte.
    Es war, als hätte Paris den Bahnhof Cité vergessen. Stille herrschte vor, wo eigentlich Betriebsamkeit hätte sein müssen. Oberhalb der Decke, wo die Sonne warm auf die Straßen der Seine-Metropole fiel, war helllichter Tag und emsiges Treiben. Hier unten jedoch, kaum eine Handvoll Meter vom Rest der Welt entfernt, kam sie sich vor, als habe sie unbemerkt ein Dimensionstor durchschritten und sei in einer Fremde gelandet, die so abstoßend, so irrational abscheulich war, dass ihre Aura jede Faser von Kathrynes Körper zu durchdringen, zu beschmutzen schien.
    Das spürten auch die Touristen. Zwei Züge hatten Cité bereits angefahren, seit Kathryne und ihre männlichen Begleiter die Station auf Spuren untersuchten, und jedes Mal hatten die Menschen, die sichtlich im Aussteigen begriffen gewesen waren, auf der Schwelle ihres jeweiligen Waggons innegehalten, dumm geguckt und sich dann wieder auf ihre Plätze im Innern der Bahnen verzogen. Dabei hatten sie ein Gesicht gemacht, als sei genau dies von Anfang an ihre Absicht gewesen. Als hätten sie vergessen, dass sie je an der Cité raus wollten.
    Nicht vergessen , dachte Kathryne und schauderte bei der Erinnerung. Sondern instinktiv verdrängt. Aus Selbstschutz.
    »Hier ist kein Mensch«, murmelte Dylan McMour und trat neben sie und Rhett. Der smarte Mittzwanziger, den normalerweise kaum etwas aus der Bahn werfen konnte, wirkte sichtlich angeschlagen, gab sich aber gewohnt heiter. »Die meiden diesen Ort. Wie Tiere, die die Anwesenheit eines Räubers wittern. Cool.«
    »Ob das so cool ist, weiß ich nicht«, sagte Professor Zamorra, der wenige Meter entfernt von ihrer kleinen Gruppe damit beschäftigt war, den Bahnsteig Schritt für Schritt abzugehen. Er schien dabei auf eine Reaktion oder ein Zeichen zu warten, die oder das ihn in seinen Ermittlungen weiterbringen mochte. »Aber es ist kühl. Unfreundlich kühl.«
    »Und womit haben wir es zu tun?«, hakte Dylan nach. »Erzählt mir nicht, das hier gehe allein auf Anne zurück.«
    Zamorra schwieg einen Moment lang, schloss die Augen, streckte die Hand aus - als könne er in der Luft etwas fühlen, das seinen Augen und Ohren verborgen blieb. Dann schüttelte er den Kopf. »Ich weiß es nicht, Unsterblicher«, sagte er und trat zu seinen Begleitern. »Aber in einem gebe ich dir recht: Anne Crentz ist nur die Spitze dieses Eisbergs. Bleibt allerdings die Frage, woraus der Rest besteht.«
    Als es schließlich geschah, hatte Zamorra die anderen fast erreicht.
    Und dieses »fast«, rettete ihnen die Haut!
    Von einem Augenblick auf den anderen brach unter der Pariser Erdoberfläche das Chaos aus. Ein Schirm aus grünlich wabernder Energie, gleißend hell und so stark wie eine Wand, entstand in der Mitte des Bahnsteigs - und sein Ursprung war Zamorra !
    Ozongeruch in der Luft. Leises Knistern erfüllte den unterirdischen Raum, hallte von den gefliesten Wänden wider und ließ Haare zu Berge stehen. Der Schirm war mit einem ohrenbetäubend lauten Knall aufgetaucht, der vermutlich auf die ungeheure Spontaneität zurückging. Kathryne klingelten noch immer die Ohren. Fassungslos starrte sie auf die wabernde Erscheinung.
    Das Amulett! Merlins Stern reagiert. Aber worauf? Was hat ihn auf einmal getriggert? Und warum erst jetzt?
    Über ihren Köpfen ging das Flackern der Jugendstillampen in ein regelrechtes Brutzeln über. Stück für Stück brannten die geschmackvoll aussehenden Lichtspender durch, ließen dünne Scherben und einen heißkalten Funkenregen über Kathryne, Rhett und Dylan niedergehen. Der Schein der Explosionen, in denen die Lampen vergingen, spiegelte sich auf den Wänden und riss Cité für einen endlos scheinenden, grauenvollen Augenblick aus seinem Zustand ewiger Dämmerung. Dass Dylan reglos am Boden lag, erkannte Kathryne erst, als Rhetts Warnschrei an ihre Ohren drang.
    ***
    Thierry Desjardins rannte.
    Hart schlugen die Sohlen seiner Schuhe auf die stählernen Treppenstufen. Schon auf halber Strecke seines

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