0948 - Der Hort der Sha'ktanar
hatte.
Vor ihm auf dem Boden lagen zwei regungslose menschliche Körper. Das Glühen einer magischen Fessel umgab sie.
Die beiden von dem Foto. Steigners Familie. Und sie sahen genauso aus, wie auf dem Bild. Sie waren kein bisschen gealtert.
Aus großen Augen starrten sie ihn an. Dann huschte ihr Blick zur Seite, glitt über Bäume und Gesträuch, irrte durch den Dschungel.
Als sie nicht fanden, wonach sie suchten, sahen sie neuerlich ihn an. Überraschung und Unglaube standen ihnen ins Gesicht geschrieben.
»Bitte, helfen Sie uns!«, wimmerte die blonde Frau.
Neben dem Jungen ging McCain in die Knie und untersuchte die magischen Fesseln. »Ich weiß nicht, wie ich sie lösen kann«, sagte er.
Die Augen der Frau bekamen einen flehenden Ausdruck. »Sie sind der erste Mensch, den wir seit… wie lange sind wir schon hier?«
»Zwanzig Jahre?«, schlug McCain vor und schien damit nicht allzu weit daneben zu liegen. Vermutlich hatten die beiden Gefangenen aber auch bereits jegliches Zeitgefühl verloren.
»Sie sind der erste Mensch seit zwanzig Jahren. Bitte holen Sie uns hier raus!«
»Wie heißen Sie?«, fragte der Druidenvampir.
Renate Steigner nannte ihre Namen.
»Was ist mit Ihnen geschehen?«
Nun ergriff erstmals Andreas Steigner das Wort und berichtete im Wesentlichen das, was er später auch seinem Vater erzählen würde.
In diesem Augenblick begann sich ein Plan in McCains Bewusstsein zu formen. Er musste nur noch eine Möglichkeit finden, die Familie des Auserwählten aus den magischen Fesseln zu befreien, dann…
»Die gehören mir.«
Eine Stimme hinter McCain, weder eindeutig männlich noch eindeutig weiblich.
Der Druidenvampir fuhr herum und starrte auf ein Wesen, dass er ebenfalls keinem Geschlecht zuordnen konnte. Oder wenigstens einer Dämonenrasse. Das Geschöpf besaß von allem ein bisschen. Die dürren Beine eines Vogels, den verfilzten Körper eines Werwolfs und den kahlen Kopf eines - was auch immer.
»Nein, Njhugjr. Jetzt gehören sie mir.«
»Du kennst meinen Namen.« Falls das eine Frage sein sollte, hörte es sich nicht so an. Die Stimme des Wesens glitt ohne jegliche Betonung durch die Sätze, die sie sprach. »Du bist ein Eindringling. Du bist tot.«
Im einen Augenblick stand Njhugjr noch zwischen zwei Bäumen, den Kadaver eines katzengroßen Käfers in Händen, im nächsten befand er sich direkt vor McCain und rammte ihm seine spitzen Finger in die Augen.
Das heißt, er wollte sie ihm in die Augen rammen. Denn Njhugjr war zwar schnell, aber McCain war schneller.
Im letzten Moment sprang der Druidenvampir und erschien nur wenige Meter hinter dem hässlichen Dämon. Explosionsartig ließ er sein Bewusstsein in alle Richtungen streben, griff nach allem, was er fand, und unterwarf es sich.
Der Geist der Pflanzen unterschied sich deutlich von dem auf der Erde. Er war dunkler, klebriger, fremdartiger. Aber McCains verstärkte Kraft reichte aus, einige von ihnen zu steuern.
»Nein!«, konnte er sich nicht verkneifen zu sagen. » Du bist tot!«
Aus sieben oder acht verschiedenen Richtungen schossen Lianen heran, umwickelten blitzartig Njhugjrs Beine, Arme und Hals und zerrten ihn hoch ins dichte Laubwerk. Aus McCains Blickfeld.
Das war gut so, denn obwohl der Druidenvampir nicht gerade empfindlich war und schon einige Scheußlichkeiten gesehen - oder selbst angerichtet - hatte, wollte er das, was nun folgte, nicht unbedingt miterleben.
Er befahl den Lianen, den Dämon zu zerreißen.
Nur Augenblicke später erklang ein markerschütternder Schrei, der genauso abrupt wieder verstummte. Die magischen Fesseln um Renate und Andreas Steigner erloschen.
»Danke«, hauchte die Frau des Auserwählten.
»Gerne geschehen.« McCain lächelte die Befreiten an. Dann stieß er geistig zu und brachte die beiden in eine völlig andere Art der Gefangenschaft.
Er nahm sie an den Händen und sprang mit ihnen in seine Welt zurück. Da sie nun zu dritt waren, musste er dabei allerdings ein großes Loch ins Gewebe des Seins reißen. Er war sicher, dass es sich schnell wieder schließen würde. Doch wenn nicht, war es ihm auch egal. Für ihn gab es wichtigere Dinge zu erledigen.
Der Rest war ein Kinderspiel. Er brachte Renate zum Friedhof der Llewellyns nach Schottland und befahl ihr, dort zu warten. Mit Andreas suchte er Jo Steigner auf.
Da er sich nicht sicher war, ob zwischen den Unsterblichen und Auserwählten dieser Welt eine Art unsichtbares Band bestand - schließlich hatten ja auch
Weitere Kostenlose Bücher