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0949 - Das Kind, das mit den Toten sprach

0949 - Das Kind, das mit den Toten sprach

Titel: 0949 - Das Kind, das mit den Toten sprach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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Sohlen huschte ich wieder nach draußen in die Kälte.
    Ich verließ die Türnische noch nicht, weil ein Wagen der Straßenreinigung über den Asphalt rollte. Erst als mich seine Scheinwerfer passiert hatten, wurde ich wieder aktiv.
    Der Niedergeschlagene lag rechts von der Tür. Zumindest hatte er dort gelegen. Ich huschte aus der Nische und war nach zwei Schritten bei ihm.
    Er lag noch immer wie ein in Leder verpacktes, kaltes Bündel auf dem Boden, aber er kam allmählich wieder zu sich. Aus seinem Mund drangen leise Stöhnlaute.
    Ich schlug ihm einige Male gegen die kalten Wangen. Sein Kopf wackelte, er protestierte müde und hörte meine zischenden Worte.
    »Los, hoch mit dir!«
    Ich hätte auch gegen einen Stein sprechen können, denn er bewegte sich nicht.
    Ich half nach und zerrte ihn auf die Füße. Er stand schließlich schwankend vor mir, aber er blickte mich an, und allmählich stahl sich so etwas wie ein Begreifen in seine Augen hinein. Ich kannte diesen Ausdruck. Er trat immer dann ein, wenn die Erinnerung zurückkehrte.
    »Hörst du mich?«
    Er brummte irgend etwas, erzählte von zwei Männern – seinen Kollegen.
    »Spiel hier nicht den Toten«, fuhr ich ihn an, drehte das Leder seiner Jacke unter dem Hals zusammen und hob ihn durch einen Ruck auf die Zehenspitzen. Mit dem Rücken drückte ich ihn gegen die Hausmauer und erklärte ihm was ich mit ihm vorhatte.
    Ob er mich verstanden hatte, wußte ich nicht. Er nickte auch nicht, sondern brummelte etwas in seinen nicht vorhandenen Bart. »Zwei Kollegen – im Parterre – bei…« Ich hätte eigentlich nachdenken müssen, aber die Zeit wurde knapp, das spürte ich genau.
    Ich zerrte ihn wieder herum. Mit ihm zusammen ging ich den Weg zurück in das Haus. Die Tür hatte ich nicht geschlossen. Ich drückte ihn in den Hausflur hinein und kam mir vor wie jemand, der eine Puppe führte, aber keinen Menschen. Noch funktionierte das Uhrwerk dieser Puppe, aber die einzelnen Bewegungen waren nicht koordiniert. Hätte ich ihn nicht mit der linken Hand gehalten und mit dem linken Arm umklammert, dann wäre er zusammengebrochen.
    So aber schob ich ihn weiter und konnte diesmal nicht lautlos gehen. Die Füße des anderen schleiften über den Boden. Je weiter wir kamen, um so besser ging es ihm, und auch sein Denkapparat funktioniert wieder. Plötzlich konnte er auch eine Frage stellen, zwar mühsam und lallend, aber immerhin.
    »Was hast du vor, verdammt?«
    Nicht sehr originell, die Worte, aber immerhin, ich hatte eine Reaktion erlebt. »Nicht viel, mein Freund. Es ist auch alles ganz harmlos. Du wirst anschellen, und wir beide warten darauf, was geschieht, wenn deine beiden Kumpane öffnen. Nicht mehr und nicht weniger. Damit du auch tust, was ich will, möchte ich dir sagen, daß der Druck, den du da hinter dem Ohr spürst, nicht von meinem Zeigefinger stammt, sondern die Mündung einer Waffe ist. Kapiert?«
    »Klar.«
    Wir hatten die Tür bald erreicht. Ich schob ihn noch ein wenig vor, dann standen wir. »Und jetzt schell!«
    »Aber ich…«
    Er wollte nicht? Okay, das übernahm ich. Mit der freien Hand griff ich an ihm vorbei, mein Finger fand den Klingelknopf und drückte ihn nach innen.
    Ich wußte, daß es sich in den nächsten Sekunden entscheiden würde, und ich hatte so ein verdammt mieses Gefühl…
    ***
    Der zweite Mann pfiff leise durch die Zähne, als sein Kumpan geschossen hatte. Er kam langsam höher und schaute ebenfalls auf die tote Frau. Ihr Körper war im Sessel zusammengesackt, und ihr Gesicht hatte einen anderen Ausdruck bekommen. Das mochte an dem roten Punkt mitten auf ihrer Stirn liegen, denn genau dort war sie von der Kugel erwischt worden. Zwischen den Augen befand sich jetzt das Loch mit dem rötlichen Rand, der etwas ausgefasert war.
    Die Augen waren nicht geschlossen. Sie standen weit offen und hatten jegliches Leben verloren.
    »Dabei sagt man immer, daß ein Sterbender in der letzten Sekunde seines Lebens glücklich ist, weil er den Himmel erblickt oder einen Blick hineinwerfen kann.«
    »Wie kommst du darauf?« fragte der Killer.
    »Nur so. Ich meine, wenn ich die Augen dieser Toten sehe, dann entdecke ich nichts darin. Keine Freude, keine Angst, nur eben die Leere.« Er kicherte. »Den Himmel gibt es wohl nicht.«
    »Hast du je daran geglaubt?«
    »Nein. Nur an die Hölle.«
    »Eben«, sagte der Killer und streichelte seine Waffe. »Wir haben unseren Job erledigt.«
    »Meinst du?«
    »Na ja, nicht ganz, da hast du schon recht.

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