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0949 - Das Kind, das mit den Toten sprach

0949 - Das Kind, das mit den Toten sprach

Titel: 0949 - Das Kind, das mit den Toten sprach Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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triftigen Grund gibt. Weshalb wurde die Frau so eiskalt umgebracht?«
    Ich hob die Schultern.
    Murray schob seinen Hut zurück und zeigte mir sein müdes Gesicht mit den dunklen Bartschatten auf den Wangen. »Wissen Sie es nicht, oder wollen Sie es nicht sagen?«
    »Ich kenne das genaue Motiv nicht. Es ging möglicherweise um die Beseitigung eines Zeugen.«
    »Warum?«
    »Das ist eben das Motiv, das ich auch nicht kenne.« Ich winkte ab.
    »Lassen wir das. Sie brauchen ein Protokoll, und ich werde Ihnen kurz erklären, wie es zu dieser Tat kam. Sie werden auch erfahren, wie der Mann im Flur starb.«
    »Ja, gleich, ich muß nur meinen Leuten noch etwas mitteilen.«
    Ich ging in das Zimmer des Mädchens und schaute natürlich auf die Stelle an der Wand, wo einmal der Spiegel gehangen hatte. Jetzt war sie leer, aber der Gegenstand lag in meinem Wagen. Für mich stand fest, daß er in diesem Fall noch eine wichtige Rolle spielen würde.
    Murray kam, schaute sich um, nahm auf der Couch Platz und nickte. »Wir können, Kollege.«
    Der Kollege – in diesem Fall ich – sprach mit ihm. Murray hörte zu, notierte sich hin und wieder ein Wort oder ein Satzfragment, und ich wußte, daß er die Stichworte später in ein normales Protokoll bringen würde. Zwischendurch stellte er die üblichen Fragen, die ich ihm leider nicht beantworten konnte.
    Es sah nicht gut aus, was die Ermittlungen anging, das sagte nicht nur Murray; ich stimmte ihm zu.
    »Aber den Toten werden wir identifizieren können.« Ich versuchte, einen vorsichtigen Optimismus zu verbreiten, den Murray in diesem Fall nicht teilte.
    »Warum nicht?«
    »Nichts gegen die Öffnung der Grenzen, aber in letzter Zeit sind doch viele lichtscheue Gestalten ins Land geschlüpft. Zumeist aus dem Osten, und wir haben die Erfahrungen gemacht, daß wir irgendwelche Täter oft nicht identifizieren können, weil sie eben nicht gemeldet waren und auch keinen festen Wohnsitz hatten. Gut ist die Entwicklung nicht, aber wir sind dabei, eine Kartei der unbekannten Toten anzulegen. Möglicherweise haben wir damit Erfolg.« Es klang nicht optimistisch, was er mir da gesagt hatte.
    Im Nebenraum zuckten immer wieder Blitze auf. Dort war der Fotograf damit beschäftigt, Aufnahmen von der toten Frau zu machen.
    Das Blitzen erinnerte mich wieder an Ellen Bates. Ich merkte, wie mir eine heiße Woge in den Kopf stieg und ich die Hände zu Fäusten ballte, ohne es eigentlich gewollt zu haben.
    Murray verstand mich. »Sie machen sich Vorwürfe wegen des Todes dieser Frau?«
    »Ja.«
    »Sie haben Ihr Bestes gegeben, Kollege. Wie leicht hätten wir uns mit Ihnen beschäftigen müssen, anstatt mit diesem Killer draußen im Flur. Seien Sie froh. So haben Sie noch die Chance, die Killer zu stellen.«
    »Danke für den Trost, aber in diesem Fall fruchtet er nicht bei mir.« Ich erhob mich. »Sie brauchen mich ja nicht mehr, das Protokoll bekomme ich doch zugeschickt…«
    »Heute nachmittag, denke ich.«
    »Gut, ich werde es unterschreiben, wenn ich im Büro bin.« Per Handschlag verabschiedete ich mich von dem Kollegen und ging wieder zurück in den Mordraum.
    Da stand die offene Wanne. Wieder kriegte ich eine Gänsehaut, als ich daran dachte, daß diese Frau nur mehr eine Hülle war, die man in die Erde senkte, wo sie irgendwann verweste und tatsächlich nur mehr Staub und Knochen zurückblieben.
    Im Flur spürte ich schon den Kloß in der Kehle, aber auch eine wilde Wut stieg in mir hoch.
    Neugierige sah ich in der unteren Region nicht. Nur weiter oben schauten einige Gesichter in die Tiefe. Die Kollegen würden den Bewohnern sicherlich noch Fragen stellen. Ich aber war schon jetzt davon überzeugt, daß dabei nichts herauskam, denn die Menschen hatten geschlafen und zu dieser Zeit nichts gehört.
    Als ich nach draußen trat, war es genau halb vier. Allmählich spürte ich die Müdigkeit, die wie ein schweres Metall durch meine Knochen rann.
    An Schlaf war nicht zu denken. Ich mußte erst noch nach Hause fahren und dachte dabei auch an den Spiegel, der nun für mich wertvoller denn je geworden war. Er konnte durchaus die Brücke zur Lösung dieses Falls sein.
    Die Kälte drückte sich in die Straßen und Gassen zwischen den Häusern hinein. Suko hatte recht beobachtet. Der Mond näherte sich allmählich dem perfekten Kreis. Er sah nicht so sattgelb aus wie im Sommer. Seine Farbe glich mehr einer noch nicht ganz reifen Banane, und der Kreis war auch noch nicht völlig geschlossen. Wolken umlagerten

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