095 - Das Ungeheuer von Loch Ness
würde.
Vorsichtig ließ er das Unterwassermikrofon ins Wasser gleiten. Er wollte erst einmal herausfinden, ob Nessie sich in der Nähe befand. Durch eine einfache Trickschaltung konnte er das Mikrofon dann in einen Lautsprecher umfunktionieren und das Kassettenband abspielen.
Er rückte sich noch die Kopfhörer zurecht, als er bereits dunkle, tiefe Töne vernahm. Sie waren laut und deutlich zu hören. Sie klangen allerdings nicht nach Nessie, sondern kräftiger und wirkten irgendwie bedrohlich. Überlagert wurden diese Töne vom Geräusch des strudelnden Wassers.
Pattrick Mclntosh war mit dem kleinen Ruderboot abgetrieben. Als er sich jetzt aufrichtete und wieder die Wasseroberfläche absuchte, beschlich ihn ein unheimliches Gefühl. Er befand sich viel zu weit von der Landzunge entfernt. Er mußte bereits von der Strömung erfaßt worden sein, die das Boot in Richtung Inverness zum River Ness trieb.
Der alte Mann wollte sich bücken und die Schaltung vornehmen, als er in seiner Bewegung erstarrte.
Nicht weit von ihm entfernt schob sich ein echsenförmig aussehender Kopf aus dem Wasser. Rote, glühende Augen fixierten ihn. Das Maul öffnete sich. Spitze, dolchartige Zahnreihen waren zu erkennen. Ein langer, schlangenartiger Hals schob sich immer weiter aus dem Wasser; und dann war auch der gezackte Drachenkamm auf dem mächtigen Rücken des Monsters zu sehen.
Jawohl, es war ein Monster.
Mit Nessie hatte dieses Ungeheuer keine Ähnlichkeit mehr. Es schien direkt aus der Hölle zu kommen, kreiste um das Ruderboot herum, beschrieb immer engere Kreise, wurde immer schneller.
Pattrick Mclntosh war vor Angst wie gelähmt, doch seine Gedanken überschlugen sich. Wie hatte dieses Monster sich solange im See verborgen halten können? Warum war es erst seit dem Vortag zu einer mörderischen Bestie geworden?
Der alte Mann reagierte schließlich instinktiv. Er schüttelte die Lähmung ab, bückte sich und schaltete das Unterwassermikrofon um. Dann drückte er auf die Taste, die das Nessie-Band in Bewegung setzte. Die Geräusche und Laute von Nessie wurden in das Wasser geleitet. Er konnte nur noch hoffen, daß Nessie alarmiert wurde.
Das Band lief nur wenige Sekunden, als das Monster zum Angriff überging.
Der lange, schlangengleiche Hals schnellte vor; die mörderischen Zähne schnappten nach dem alten Mann, der sich ungeschickt auf die Seite warf und dennoch dem tödlichen Biß entging.
Ein heiseres, wütendes Brüllen war zu hören, das in ein Zischen überging. Das Wasser schäumte auf, als das Monster seinen Kurs änderte. Das kleine Ruderboot füllte sich mit Wasser.
Pattrick Mclntosh klammerte sich am Rand des Bootes fest, wurde durch die Luft geschleudert und landete im Wasser. Nicht weit von ihm tanzte das Ruderboot mit dem Kiel nach oben auf den Wogen. Der alte Mann rang nach Luft und sackte ab. Mit energischen Beinbewegungen brachte er sich wieder nach oben; er machte einige Schwimmbewegungen mit den Armen und merkte, daß er sich nicht mehr lange über Wasser halten konnte.
Vor Angst und Grauen schrie er auf, als seine Beine gegen etwas Hartes stießen. Das Monster schien sich unter ihn geschoben zu haben. Seine Beine knickten ein, wurden nach oben gedrückt. Sekunden später ritt er förmlich auf einem breiten Rücken. Er rutschte ab, wurde wieder hochgedrückt und dann aus dem Wasser gehoben. Wasserstrudel umkochten ihn. Er schnappte nach Luft, hörte gräßliches Gebrüll, Fauchen und Zischen.
Der alte hilflose Mann durchlebte Sekunden und Minuten, die ein einziger wilder Traum waren.
Was sich um ihn herum abspielte, bekam er überhaupt nicht mit. Plötzlich wirbelte er durch die Luft und landete hart auf dem steinigen Strand. Schmerzwellen durchrasten seinen Körper und ließen ihn wimmern. Bevor er bewußtlos wurde, sah er nahe am Ufer zwei riesige vorweltliche Wesen, die miteinander zu kämpfen schienen.
„Hier ist die Erklärung, Mr. Graves."
Gloria Mclntosh reichte dem Inspektor den Zettel, den ihr Großvater im Haus zurückgelassen hatte. Inspektor Graves überflog die Zeilen und reichte den Zettel dann kopfschüttelnd zurück.
„Heller Wahnsinn, sich auf solch ein Risiko einzulassen!" meinte er. „Entschuldigen Sie, Miß Mclntosh, aber es ist ein Wunder, daß er noch lebt."
„Ich kann meinen Großvater verstehen", erwiderte Gloria. „Er kämpft um Nessie. Er ist davon überzeugt, daß es harmlos ist."
„Nessie dürfte ihm sogar das Leben gerettet haben", schaltete sich Coco
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