0951 - Die Exorzistin
mit Stiften gefüllte Schale. Sie stand neben dem Kreuz, auf das die Oberin schaute, wenn sie auf ihrem Platz saß.
»Ich darf Ihnen zunächst sagen, meine Herren, daß ich mich über Ihren Besuch dort verwundert gezeigt habe, denn damit zu rechnen war ja wohl nicht.«
»Das stimmt«, sagte ich. »Es hat sich so ergeben.«
»Aha.« Sie lächelte und faltete die Hände. »Wenn mich nicht alles täuscht, dann haben Sie mit Schwester Viola über eine gewisse Angelina gesprochen…«
»Da haben Sie recht.«
»Ich darf sicherlich mehr darüber erfahren.«
»Natürlich, Oberin, deshalb sind wir bei Ihnen. Wir suchen diese Person.«
»Von der Sie überzeugt sind, daß sie sich hier im Kloster aufhält?«
»In der Tat.«
»Wer hat Ihnen das gesagt?«
»Ein Freund«, erklärte Suko. »Ein Mann, der sich mit Angelina hat treffen wollen.«
Nichts regte sich im Gesicht der Oberin. Sie hatte sich wirklich gut in der Gewalt. »Wie soll ich den Begriff Freund verstehen? Sie wissen, daß es verschiedene Auslegungen gibt.«
»Selbstverständlich. Er kannte sie von früher her. Er hat uns viel über sie erzählt und dabei ihre Vorzüge ins rechte Licht gerückt. In der letzten Nacht war er mit ihr verabredet gewesen, und er wollte uns heute bis zum Mittag über dieses Treffen informieren. Leider hat er das nicht getan, so daß wir uns Sorgen machen.«
»Er wird Sie später bestimmt noch anrufen.«
»Haben wir uns auch gedacht«, sagte Suko. »Aber wir wollten sicher sein und haben es bei ihm versucht. Nur hat dort niemand abgehoben. Der gute Walt war nicht da.«
Die Oberin erlaubte sich ein spöttisches Lächeln. »Und deshalb sind Sie hier?«
»Ja.«
»Tut mir leid.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann Ihnen beim besten Willen nicht helfen, da ich keinen Mann dieses Namens kenne. Wer soll den dieser Walt gewesen sein?«
»Angelinas Freund.«
»Die Sie hier suchen?«
»Ja!« bestätigte Suko.
Die Oberin holte tief Atem. »Auch da muß ich Sie leider enttäuschen, meine Herren. Es gibt keine Schwester mit diesem Namen. Wir hätten sie gern, denn wir sind froh über jede Frau, die sich entschlossen hat, dieses Leben zu führen.«
»Sie ist also keine Nonne?« fragte ich.
»Ob sie das ist oder nicht, das weiß ich nicht. Aber sie befindet sich nicht hier. Es tut mir leid, da haben Sie den weiten Weg wohl umsonst gemacht.«
Das hörte sich zwischen den Zeilen schon nach einer Verabschiedung an, aber so leicht würden wir es der Oberin nicht machen, von der wir überzeugt waren, daß sie log, denn wir glaubten nicht, daß uns Marion Bates die Unwahrheit gesagt hatte. »Ich denke nicht, daß wir den Weg hierher umsonst gemacht haben, wenn Sie verzeihen. Ich glaube eher, daß Sie uns nicht die Wahrheit gesagt haben.«
»Ach!« Die Augen hinter den Gläsern weiteten sich. »Sie glauben, daß ich Sie angelogen habe! Bezichtigen Sie mich der Lüge?« Ihre Stimme hatte an Schärfe zugenommen, die Hände lagen nicht mehr zusammen, sie waren jetzt zu Fäusten geballt. »Es ist eine Unverschämtheit von Ihnen, mir so etwas ins Gesicht zu sagen.«
»Moment«, sagte ich schnell. »Sie haben mich wohl falsch verstanden. Ich glaube Ihnen, daß es in diesem Kloster keine Nonne mit dem Namen Angelina gibt. Und ich sage Ihnen weiter, daß diese Frau nicht unbedingt eine Nonne sein muß.«
Die Oberin entspannte sich wieder. »Was denn sonst? Ein Geist, der hier spukt?«
»Nein, eine junge Frau mit dunklen Haaren, die bei Ihnen als Gast lebt.«
»Davon sind Sie überzeugt.«
»So gut wie.«
»Und wer hat Ihnen das gesagt, Mr. Sinclair? Auf welche Aussage bauen Sie?«
»Wir haben einen Zeugen.«
»Nennen Sie den Namen!« konterte die Schwester. »Sagen Sie ihn mir, und ich werde Ihnen beweisen, daß es Unsinn ist.«
»Auch wenn Sie davon überzeugt sind, wir sind es nicht, denn dieser Zeuge hat gewisse Vorgänge beobachtet, die sich in der vergangenen Nacht im und außerhalb des Klosters abgespielt haben, wobei unser Freund Walt auch wieder mit ins Spiel kommt.«
»So…?«
»Wenn Sie gestatten, Schwester, erzähle ich Ihnen gern die Einzelheiten.«
Sie stimmte nicht direkt zu. »Besonders scharf bin ich darauf nicht«, erklärte sie und hob die Schultern. »Im Prinzip ist mir meine Zeit zu kostbar, um mir irgendwelche erfundenen Geschichten anzuhören, aber ich will nicht unhöflich sein, deshalb reden Sie bitte.«
Ich nahm kein Blatt vor den Mund. Und Suko tat es ebenfalls nicht, und wir wechselten uns bei unserem
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