0951 - Die Exorzistin
Walt.«
»Sehr richtig, Suko, wie bei Walt, denn er steckte so tief im Schlamm des Bösen wie nur möglich.«
Ich schaute sie lauernd an. »Da wir Freunde von Walt sind, gehen Sie davon aus, daß auch wir darin verwickelt sind.«
»Das weiß ich nicht genau. Aber ich finde es mit jeder Minute, die vergangen ist, besser, daß Sie uns einen Besuch abgestattet haben. Nur eines irritiert mich. Angelina hat mir davon berichtet, daß sie alle unter Kontrolle bekommen hat. Bei Walt hat es nicht so gut geklappt, er hat sich auf nichts eingelassen, aber die anderen schon. Und sie tauchen jetzt auf wie zwei Kometen aus dem All, mit denen nun niemand rechnen konnte. Das kriege ich persönlich nicht geregelt.«
»Das Leben steckt eben voller Überraschungen, Oberin.«
»Lassen Sie doch die allgemeinen Floskeln, Mr. Sinclair! Ich bin sicher, daß wir die Wahrheit sehr schnell herausfinden.«
»Sie sagen wir. Schließen Sie noch jemanden mit ein? Angelina, zum Beispiel?«
»Ja.«
»Dann ist sie hier?«
»Moment, Moment, nicht so schnell. Ich sage nur, daß sie entscheiden kann, ob Sie beide dazugehören oder nicht. Denn dieser Walt ist der letzte gewesen. Sie hat leider auf seine Bedingungen eingehen müssen, aber das ist vorbei.«
»Ihre Schwestern haben ihn ja geholt.«
»Hätten wir ihn liegenlassen sollen?«
»Nein. Es fehlt nur der Wagen.«
»Den haben wir schon in der Nacht weggeschafft. Das heißt, Angelina tat es. Wir werden ihn so gut verstecken, daß ihn niemand mehr finden kann.«
»Sie sind sehr offen« sagte Suko. »Und Sie haben plötzlich viel Zeit für uns.«
Die Oberin lächelte, als sie uns anschaute. »Ja, manchmal muß man eben flexibel sein. Sie gehören doch dazu. Weshalb sollte ich Ihnen etwas verschweigen?«
»Klar, weshalb sollten Sie?« sagte Suko nickend. »Aber Sie haben nie darüber nachgedacht, daß sie ein Verbrechen begangen haben?«
Zum erstenmal hörten wir Schwester Martha lachen. Es klang scharf und nicht locker oder freundlich. Abrupt verstummte es dann, und sie sagte mit normal klingender Stimme: »Hören Sie, meine Herren, Sie haben von einem Verbrechen gesprochen. Das mag in Ihren Augen so sein, aber nicht in meinen. Haben Sie vergessen, welches Verbrechen Sie und Ihr Freund an Angelina begangen haben? Haben Sie das wirklich? Darüber sollten Sie nachdenken. Angelina tut nur das, was sie und wir alle hier für richtig halten. Sie schlägt nicht zurück. Sie testet nur. Und wer den Test nicht besteht, um den ist es nicht schade.«
»Das sehen Sie so.«
»Ja, denn wir hier haben mit der irdischen, sogenannten Gerechtigkeit nichts zu tun. Für uns gelten andere Regeln, das kann ich Ihnen sagen.«
»Wo haben Sie Walt hingeschafft?«
»Vergessen Sie ihn, Mr. Sinclair. Wer ist schon Walt? Eine Kreatur, die den falschen Weg gegangen ist und sich auch nicht davon überzeugen ließ, ihn wieder zu verlassen. Also hören Sie mir damit auf, bitte!« Für einen Moment schaute sie gegen ihre Hände. »Aber Sie sind bestimmt nicht nur wegen Ihres Freundes gekommen. Sie haben auch nach Angelina gefragt, nicht wahr?«
»Stimmt!« bestätigte Suko.
»Sehr gut«, sagte die Oberin, legte ein Pause ein und hatte sich dann entschlossen. »Sie werden Angelina sehen. Ja, ich werde Sie gern zu ihr führen.«
Das überraschte uns. Es war mehr, als wir eigentlich erwarten konnten.
»Sie sagen nichts?«
»Wir sind überrascht.«
»Ich bin stets zur Kooperation bereit«, erklärte uns die Frau. Dann stand sie langsam auf und wurde dabei kaum größer. Sie war so etwas wie eine Sitzgröße. »Ich will damit auch nicht länger warten, meine Herren, und möchte, daß Sie Angelina gleich sehen.«
»Einverstanden.«
Sie hatte mein Lächeln bei dieser Antwort gesehen und schaute mich skeptisch an. Wahrscheinlich wußte sie nicht, was sie davon halten sollte, denn noch spielten wir uns gegenseitig Theater vor.
»Ich darf dann vorgehen«, sagte sie und drehte uns den Rücken zu. Jetzt sahen wir, daß an ihrem Gürtel ein dunkles Holzkreuz baumelte.
Weder Suko noch ich kamen mit dieser Person richtig klar. Wir fragten uns, wer sie eigentlich genau war.
Sicher, sie fungierte als Oberin, aber sie war sich auch nicht zu schade, die alten Exorzismusregeln zu akzeptieren und ihnen sogar zu folgen. Sie hatte einen Toten wegschaffen lassen wie ein angeschossenes Tier. Der Respekt vor gewissen Menschen war bei ihr nicht sehr groß.
Wir verließen ihr Büro und traten wieder hinaus in den kahlen Gang.
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