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0952 - Nacht über New Amsterdam

0952 - Nacht über New Amsterdam

Titel: 0952 - Nacht über New Amsterdam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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Grauens.
    Zitternde Hände auf der Suche nach einer Waffe.
    Ein grauenvolles Leichengesicht über dem seinen, geifernd und wild.
    Krallenartige Finger auf seinen Wangen, seinem Hemd. Sie zogen. Stoff riss, und dann die Haut.
    Wunden. Überall Wunden.
    51 Park Plaza war leer gewesen, als er und Zamorra es erreicht hatten. Unbemerkt von den Hunderten Demonstranten vor der Tür hatten sie den Hintereingang genommen und waren per Feuertreppe in die dritte Etage gestiegen, in welcher die Watumbi ihre Räume beziehen würden. Doch im Gegensatz zu manch anderen Parteien war der Bereich der alten indianischen Gemeinschaft noch längst nicht bezugsfertig. Zamorra und Andy hatten dennoch beschlossen, sich kurz einmal umzusehen - hockte nicht zufällig doch irgendwo einer der Bauherren, der ihnen weiterhelfen konnte? - und sich getrennt. Zehn Minuten später hatten sie sich wieder am Treppenzugang treffen wollen. Doch dazu war es nicht gekommen. Dazu würde es nicht kommen. Denn das Monster hatte zugeschlagen.
    Diffuses Licht strömte durch die mit dicken Planen verhangenen Fensteröffnungen ins Innere des Hauses und tauchte die ganze Szenerie in einen Zustand unwirklicher Dämmerung. Und in diesem Licht sah Andy Sipowicz das Ungeheuer wieder, wie es mit vorgestreckten Armen durch die Etage strich - suchend, jagend. Effizient und ungerührt wie eine Maschine.
    Eine Tötungsmaschine.
    Jenseits der noch kahlen Wände, aus denen nackte Kabel und bunte Baustutzen ragten, wartete die Welt, fuhr der New Yorker Verkehr über die Straßen. Andy hörte ihn, doch diese Wirklichkeit war fern. Sie gehörte den Lebenden, zu denen er selbst nicht mehr lange zählte.
    Zamorra , dachte er, und spürte, wie die Dunkelheit abermals nach seinem Verstand griff - vielleicht zum letzten Mal. Zamorra, es tut mir leid.
    ***
    Die Luft kochte und roch nach Ozon, Angst und vertanen Chancen.
    Professor Zamorra kauerte schwer atmend hinter einem der breiteren Pfeiler und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Merlins Stern , das magische, handtellergroße Artefakt um seinen Hals, hatte ihm soeben das Leben gerettet. Wieder einmal.
    Die Hände des unheimlichen Angreifers, der ihn plötzlich aus den Schatten angesprungen hatte, waren bereits an Zamorras Hals gewesen, als das Amulett endlich aktiv geworden war. Binnen Sekundenbruchteilen war der energetische Schutzschirm entstanden, hatte den Unheimlichen abgewehrt und vertrieben.
    Und Zamorra verstand die Welt nicht mehr.
    Eigentlich hätte Merlins Stern sofort oder gar nicht aktiv werden müssen. Entweder handelte es sich bei dem Angreifer tatsächlich um einen Zombie, also ein schwarzmagisch belebtes Wesen. Was bedeutete, dass das Amulett eigenständig um den Schutz seines Trägers gekämpft hätte. Oder all dies war eine Finte. Dann hätte das Artefakt gar nicht reagiert.
    So aber - mitten im Angriff - passte das einfach nicht. Entweder hatte das Amulett wieder Fehlfunktionen, wie es nach Merlins Tod der Fall gewesen war, oder hier ging etwas vor sich, das Zamorra und Merlins Stern noch nicht einmal ansatzweise durchblickten.
    So oder so hoffte der Meister des Übersinnlichen, lange genug zu leben, um ihm auf den Grund zu gehen.
    Aber dafür musste er raus. Schnell!
    Hastig sah er sich um. Weit und breit keine Spur von dem Zombie. Also los.
    Zamorra richtete sich auf, hechtete lautlos zum nächsten Pfeiler, presste sich gegen den kalten Stein. Und zum nächsten, zum übernächsten. Wie ein Soldat an der Front preschte er vor, immer von Deckung zu Deckung, und wo er auch war, suchte er Sipowicz.
    Ob Andy es geschafft hatte? Wenn er schlau war, befand er sich längst wieder draußen und in Sicherheit. Andy hatte keinerlei magische Erfahrung, war dem Wesen somit auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Wenn es ihn in die Finger bekam…
    Da! War da nicht ein Geräusch gewesen?
    Zamorra strengte sich an, lauschte in die Stille und hörte doch nur das Rauschen des Verkehrs, das durch die teils mit Planen verhangenen, teils mit Brettern vernagelten Fenster ins Innere des Pseudo-Rohbaus drang. Hatte er sich geirrt?
    Nein! Ein leises Rauschen, wie aus einem kleinen Lautsprecher plärrende Statik, wehte durch die Stille zu ihm herüber. Andys Funkgerät!
    Der Meister des Übersinnlichen zögerte nicht länger. Geduckt preschte er vor, hielt auf die Quelle des Geräusches zu - und blieb erstarrt stehen, als er sie schließlich sah.
    Sipowicz war eine Insel in einem Meer aus Blut, das sich über den schmutzigkahlen

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