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0952 - Nacht über New Amsterdam

0952 - Nacht über New Amsterdam

Titel: 0952 - Nacht über New Amsterdam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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Asche, die schnell erkaltete.
    Als hätte man einen Vampir dem Tageslicht ausgesetzt , dachte Zamorra. Zumindest in diesen billigen Horrorfilmen. Zisch und weg. Brognosian hätte diese Parallele vermutlich zu schätzen gewusst.
    So schnell und unmittelbar das Chaos entstanden war, so schnell verschwand es wieder. Der grünliche Schutzschirm verblasste, als hätte irgendwo jemand einen Schalter umgelegt. Die kalte Hitze des Amuletts wich wieder der New Yorker Nacht, und anstelle des Tosens und des Gebrülls hatte der Meister des Übersinnlichen mit einem Mal nur noch das Rauschen seines eigenen Blutes in den Ohren - und den Verkehr auf der mindestens mehrere Hundert Meter Luftlinie fernen Straße namens Central Park West.
    »Alles in Ordnung?« Sanders hatte sich erhoben und klopfte sich den Dreck von der Kleidung. Halbe Grasbüschel rieselten von ihm. »Andy?«
    »Alles gut«, antwortete der Sergeant und nickte. »Sieht schlimmer aus, als es ist.« Das tat es ohne Frage. Sipowicz war weiß wie eine Wand, doch in seinen Augen glühte ein Feuer, das Zamorra nur zu gut kannte. So sah jemand aus, der wusste, dass er das Richtige tat. Jemand, der in seinen Handlungen Bestätigung fand - und Euphorie.
    Andy, Andy , dachte der Professor. Erst Stadtväter, jetzt das hier. Sie befinden sich auf einem gefährlichen Weg, Junge. Einem, der Sie über kurz oder lang die Realität kosten wird, die Sie zu kennen glauben.
    Schon seltsam, dass sie sich unter diesen Umständen erneut begegnet waren. Nach der Episode mit Gryf und dieser Moffat hatte Zamorra keinen Gedanken mehr an den aufgeweckten Sergeant verschwendet. Nun kämpften sie Seite an Seite. Wieder einmal.
    »Und Sie?«, hakte Sanders bei Zamorra selbst nach. »Angesichts dieses… Energiedings von eben ist Ihnen vermutlich kein Haar gekrümmt worden, aber… Was war das überhaupt?«
    »Meine kleine Lebensversicherung«, antwortete der Meister des Übersinnlichen und deutete auf das handtellergroße Amulett, das er um den Hals trug. Da er sein rotes Hemd, wie so oft, bis unter den Brustkorb aufgeknöpft trug, konnte Sanders das magische Schmuckstück zweifellos sehen.
    Wie Zamorra erwartet hatte, nickte der Officer bloß und ersparte ihnen beiden eine weitere Nachfrage. »In einem haben Sie recht, Sipowicz«, murmelte er danach und warf Andy einen Blick zu, der irgendwo zwischen Fassungslosigkeit und Resignation lag. »Der Typ ist garantiert nicht unser Mörder.«
    Andy lachte leise. »Champlains letzte Worte«, erklärte er dem ratlosen Professor. »Mit seinem letzten Atemzug hat Champlain Ihren Namen gesagt, bevor Brognosian ihn im Flur von WNYC niedermetzelte.«
    »Meinen?« Zamorra hob die Brauen. So weit hatte er sich die Aufnahme nie angesehen. »Aber wieso das? Er kannte mich doch gar nicht.«
    »Das hat sich Zandt auch gefragt«, antwortete der Sergeant, und nun war es an Sanders, zu lachen. »Was glauben Sie, warum er Sie seit heute Morgen überall hin mitnimmt. Nicht, weil ich Sie ihm als Spezialisten vorgestellt habe. Sondern weil er Sie nach wie vor nicht als Verdächtigen ausschließt.« Er sah zu Boden, wo die Asche des Untoten langsam verglomm. »Wobei sich das mittlerweile gelegt haben dürfte. Das hier ist definitiv nicht von Menschen gemacht. Noch nicht einmal von Menschen wie Ihnen, Professor.«
    »Bleibt die Frage, von wem dann«, murmelte Sanders und kratzte sich am Kopf. »Oder von was? Und wenn Sie mich fragen, Gentlemen, ich bin mir nicht sicher, ob ich die Antwort darauf überhaupt wissen will.«
    Kapitel 7 - Der Bucklige von Soho
    Der Kontrast konnte kaum stärker sein. Vor nicht einmal einer Stunde hatte er im Central Park gegen einen Untoten gekämpft und sich in der Dunkelheit und Stille der nächtlichen Grünanlage fast wie der letzte Mensch auf dem Planeten gefühlt, nun stand er am Rand einer Straße, die vor Leben und Betriebsamkeit nur so zu strotzen schien.
    Soho, das selbst ernannte »trendige Shopping-Mekka« der Metropole New York, zeigte sich an diesem Abend von seiner schillerndsten Seite. Auf den Bürgersteigen tummelte sich das Passantenvolk, meist Menschen jüngeren Alters und mit lachenden Gesichtern. Die trotz der späten Stunde noch geöffneten Ladengeschäfte präsentierten ihre Waren und Speisen bis hinaus auf den Gehsteig und hatten die zur Straße führenden Fenster weit geöffnet, um möglichst viel Laufkundschaft zum Verweilen und vielleicht sogar Betreten des Ladens zu animieren. Heiße Luft quoll aus den Gulligittern und

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