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0952 - Nacht über New Amsterdam

0952 - Nacht über New Amsterdam

Titel: 0952 - Nacht über New Amsterdam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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Cameron Winston sah die Uniform im Türrahmen und zögerte nicht. Ohne das Auditorium, das bis eben nahezu sklavisch an seinen Lippen gehangen hatte, auch nur eines weiteren Blickes zu würdigen, wandte er sich zur Seite und gab Fersengeld.
    »Scheiße, der haut ab!«
    Die Stimme des Stämmigen unter den drei Neuankömmlingen hallte von den weinrot tapezierten Wänden des kleinen Kinosaals wider, und sofort drehten sich alle um. Dreihundert Studentenaugen - nicht selten dank Alkohol und/oder diverser rauchbarer Substanzen getrübt - sahen zum Eingang. »Was'n jetz los?«, hörte Cameron einen aus der Meute rufen. »Tür zu, ja? Hier wird Kultur gewürdigt!«
    »Schnauze«, brummte der Stämmige und rannte los. Sein Trenchcoat bauschte sich auf, als er die Treppe hinunter und auf die kleine Bühne vor der Leinwand zueilte. Sein uniformierter Begleiter preschte derweil zum Seiteneingang vor, durch den Cameron eigentlich hatte fliehen wollen.
    Verflucht!
    »Äh, Mr. Winston?« Die rothaarige Schnecke aus der ersten Reihe, die den ganzen Stuss hier organisiert hatte und die den Ausbuchtungen ihres Pullovers nach zu urteilen, göttliche Brüste besaß, war aufgestanden und blickte ihn fragend an. »Gehört das vielleicht zur Show? Soll ich den nächsten Film abspielen lassen?«
    Zur Show? Hatten sie der ins Gehirn gefurzt? »Halten Sie sie auf!«, rief Cameron, schlug einen Haken nach links und versuchte, jenseits der breiten Leinwand einen dritten Weg nach draußen zu finden. Vergebens. »Lassen Sie sie nicht durch, verdammt!«
    Sofort sprangen die ersten Studenten auf. Kraushaarige Möchtegerns mit Künstlertyp-Hemden und einem Flaum im Gesicht, den sie wohl für Bärte hielten, stellten sich dem Uniformierten in den Weg - an Mr. Trenchcoat schienen sie sich nicht zu wagen.
    Zu Recht, wie sich schnell herausstellte. »NYPD«, bellte der Stämmige, griff unter seinen Mantel und zog eine Dienstmarke hervor. Sie glänzte im Licht der Deckenlampen. »Mr. Winston steht ab sofort unter Mordverdacht. Wer ihn schützt, macht sich strafbar und kann ihn und uns gleich mit aufs Revier begleiten. Also überlegt euch gut, ob ihr nicht lieber den nächsten Joint anzünden wollt und euch wieder auf eure vier beschissenen Buchstaben setzt.«
    Das musste er den Künstlertypen nicht zweimal sagen. Zwar standen sie zunächst ein wenig ratlos herum und scharrten mit den Füßen, doch dann verzogen sie sich schnell - und schweigend - zurück auf ihre Plätze.
    Trenchcoat hatte inzwischen die Bühne erreicht. »Mr. Winston, wenn Sie uns dann bitte folgen würden?«
    Cameron stand so dicht gedrängt an die Wand, die hinter der Mauer auf ihn gewartet und seine letzte Hoffnung zunichtegemacht hatte, dass das Gestein hart gegen seinen Buckel drückte. Es schmerzte. Aber seine Stimme war nicht deswegen so schrill, als er antwortete. Sondern aus Angst. »Weswegen denn? Mordverdacht? Machen Sie Witze? Ich sollte meinen Anwalt kommen lassen und Sie alle verklagen!«
    Sah man den Schweiß, der fraglos auf seiner Stirn prangte? Sahen die Kinder ihn? Gott, wie erbärmlich…
    »Das ist doch lächerlich«, brauste einer der Zuschauer auf, der seinen Mut wiedergefunden zu haben schien. »Cameron ist doch kein Mörder.« Er hob sein Glas, das bis zum Rand mit Bier gefüllt war. »Sondern ein verflucht feiner Kerl, klar? Einer von uns.«
    Trenchcoat ignorierte ihn. »Ich scherze nie«, antwortete er auf Camerons rhetorisch gemeinte Frage und grunzte amüsiert. »Mr. Winston, Sie stehen unter Verdacht, den verstorbenen Eric Brognosian zum Mord an Steve Ballantine und Barry Champlain beauftragt zu haben. Alles, was Sie sagen, kann vor Gericht gegen Sie verwendet werden, von daher wäre es vielleicht empfehlenswert, einfach mal die Klappe zu halten. Und den Anwalt rufen wir natürlich liebend gern für Sie an.«
    Bei der Erwähnung der bekannten Persönlichkeiten war ein Raunen durch die Menge gegangen. Fragende Gesichter wechselten sich mit Entsetzen und Fassungslosigkeit ab. Vor allem die Rote in der ersten Reihe wirkte aufrichtig geschockt. »Eric? Eric ist tot?«
    Der Trenchcoat packte Cameron grob an den Schultern, drehte ihn um seine eigene Achse und drehte ihm die Arme auf den Rücken, wo er sie mittels eines Paars Handschellen fixierte. Dann schubste er Cameron zum Bühnenrand, Richtung Ausgang.
    »Glauben Sie mir«, brummte er, als sie an der Schnecke vorbei kamen. »Ich wünschte, es wäre nicht so.«
    ***
    Das Gespräch führte zu nichts, und sie

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