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0952 - Nacht über New Amsterdam

0952 - Nacht über New Amsterdam

Titel: 0952 - Nacht über New Amsterdam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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aufpassen müssen. Seiner Statur nach hatte er darin Erfahrung.
    Schweigend und mit gezogener Glock schritt auch Andy weiter durch die Nacht. Zweige zerbrachen knirschend unter seinen Schuhen, Blätter raschelten leise. Die Luft roch nach Gras und erinnerte ihn, den Stadtmenschen, an den Morgen auf dem Prominentenfriedhof. Den Moment, an dem dieser bizarre Fall noch eine ganze Spur bizarrer geworden war.
    Und jetzt? Eine Nahtoderfahrung später jage ich Zombies im Central Park.
    Er schüttelte den Kopf - und hielt abermals inne. Wieder ein Geräusch! Wieder das Gefühl, eine Bewegung in den Schatten vor sich ausgemacht zu haben.
    »Iwan?«, flüsterte Andy. »Sind Sie das? Larry?«
    Das Knurren, das auf einmal zu ihm drang, bestätigte seine kühnsten Befürchtungen. Es klang hungrig, wütend. Ein Geräusch aus dem Grab.
    Champlain!
    Andy hob die Waffe. Langsam, unendlich langsam machte er einen Schritt zurück. Der Untote schien ihn noch nicht bemerkt zu haben. Wenn er jetzt kein Geräusch verursachte, klammheimlich verschwand und aus sicherer Entfernung um Verstärkung bat, konnten sie ihn vielleicht einkreisen und…
    Krrzzzzzzt… »Sanders an Leitstelle: Zamorra und ich nähern uns dem Le Pain. Bisher kein Anzeichen des Gesuchten.« Krrzzzzzzt.
    Plötzlich ging alles ganz schnell. Das Geplärre aus seinem Funkgerät war noch nicht verklungen, da hechtete ein dunkler Koloss aus den Schatten und dem Unterholz vor Andy. Brüllend und geifernd sprang Champlain ihn an, riss ihn von den Füßen. Sipowicz sah den von der Nachtluft aufgebauschten Leichenkittel, die mordlüsternen Augen im Mondenschein… und dann sah er gar nichts mehr.
    ***
    Erst als die Welt zurückkehrte, begriff er, dass er auf dem Rücken im Gras lag und der Aufprall ihm für einen Moment die Sinne geraubt haben musste. Heißer, modrig riechender Atem wehte ihm entgegen, und als er den schmerzenden Kopf zur Seite drehte, sah er direkt in das Antlitz des Monsters. Champlains Visage war ein fleischgewordener Albtraum. Blutunterlaufene Augen mit dunklen Ringen, verschorfte Wunden auf Stirn und Wangen, Ungeziefer und Blätter im wirr abstehenden Haar. Ein wandelnder Leichnam - und er war auf Vernichtung aus.
    »B… Barry«, wisperte Andy und versuchte, langsam von dem neben ihm kauernden Ungeheuer wegzurobben. »Barry.« Er wusste nicht, warum, aber irgendetwas sagte ihm, dass das Monster vielleicht besänftigt wurde, wenn es seinen Namen hörte. Andys Rechte glitt zum Halfter, doch die Glock war fort. Sie musste irgendwo ins Dickicht geflogen sein, als Champlain ihn überrumpelt hatte.
    Der Untote knurrte, legte den Kopf schief. Nasenflügel weiteten sich.
    Er wittert. Großer Gott, er wittert.
    Mit zitternden Fingern tastete Andy sich weiter zurück und suchte gleichzeitig nach einem Stein, einem Stock oder irgendetwas anderem, was er als Waffe einsetzen konnte, sollte es zum Äußersten kommen.
    Dann sprang Champlain auf! Aus der Hocke flog er einen guten Meter hoch in die Luft, richtete sich dabei zur vollen Körpergröße auf - und landete unmittelbar an Andys Seite. Champlains linker Fuß kam auf Andys Brust zu stehen, pinnte den Sergeant wieder zu Boden und verdammte ihn zur Reglosigkeit.
    Der Schmerz trieb Andy die Luft aus der Lunge und Tränen in die Augen. Wunden, die Brognosian ihm am Morgen zugefügt hatte, brachen wieder auf.
    Modriger, kalter Atem schlug ihm ins Gesicht, als sich das Barry-Ding vorbeugte und ihn ansah. Mit aus Verzweiflung geborener Hoffnung suchte Andy an seinem Hals nach Anzeichen einer Maske, fand aber nichts. Nur Haut und Fleisch. Spuren des Gemetzels, das Champlain in der vergangenen Nacht das Leben gekostet hatte.
    Als der zum Monster mutierte Radiomoderator die Klauen nach Andy ausstreckte, erkannte der Sergeant zwei Dinge mit endgültiger, erschreckender Klarheit. Erstens: Dies war der Tote. Ohne Zweifel.
    Und er machte sich zweitens an, Andy mit sich ins Reich jenseits des Lebens zu zerren.
    ***
    Zamorra keuchte.
    Soeben war er mit Sanders über eine Hecke gehechtet und durchs Unterholz gekrochen, als auf einmal und ohne Vorwarnung Merlins Stern aktiv wurde. Das magische Schutzamulett reagierte, wann immer sein Träger in die Nähe schwarzmagischer Aktivität geriet - und nun hatte es ganz offensichtlich den Anschein.
    Ein grünlich wabernder Schutzschirm entstand wie aus dem Nichts vor und um den Meister des Übersinnlichen. Blitze gingen von der Erscheinung aus, zogen wahllos in alle Richtungen, versengten

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