0953 - Der Vampirwolf
auf einen Mann, der einen seltsamen Namen hatte. Er hieß Goran Nägele, war zwar Rumäne, aber seine Vorfahren stammten aus Schwaben, und so hatte sich auch der Nachname gehalten.
Nägele war Polizist. Sogar ein recht hohes Tier. Ein Kommissar. Er hatte Marek die Nachricht zukommen lassen und ihm sogar einen Hubschrauber nach Petrila geschickt, der ihn abholte.
Noch immer mußte Frantisek lächeln, als er an die großen Augen der Einwohner dachte. Die Leute hatten nur staunen können, wie der Hubschrauber landete und Marek eingestiegen war. Und es hatte ihm Spaß gemacht, das gab er ehrlich zu.
Jetzt hockte er hier und wartete. Viele Informationen hatte man ihm nicht gegeben. Es würde sich alles noch aufklären, und deshalb blieb ihm nichts anderes übrig, als zu warten. Außerdem wollte Nägele Mareks Auftritt nicht zu offiziell werden lassen. Vor wem er sich da fürchtete, wußte der Pfähler auch nicht. Möglicherweise vor einem Vorgesetzten, der noch das alte Schubladendenken pflegte und nicht akzeptieren konnte, daß es auch Dinge gab, die nicht so leicht erklärt werden konnten. Da war man sich bei den offiziellen Stellen noch nicht so einig, aber Nägele hatte einen Weg gefunden. Außerdem wußte er über Marek Bescheid. Er kannte dessen Erfolge, und das allein zählte nur.
Marek, der noch immer aus dem Fenster schaute und diesem so kahlen und irgendwo auch menschenfeindlichen Gelände gar nichts abgewinnen konnte, entdeckte eine einsame Gestalt, die einen gefütterten, braunen Ledermantel trug. Es war Goran Nägele, der beide Hände tief in den Manteltaschen vergraben hatte und sich gegen den widerlich kalten Wind stemmte. Zum Schutz trug er eine Fellmütze auf dem Kopf. Die beiden Klappen waren nach unten gedrückt worden und schützten seine Ohren.
Er schaute kurz zum Fenster hoch, dann stieg er die Leiter hinauf und erreichte die schmale Plattform, wo er auch die Tür öffnen konnte, um das kleine Haus zu betreten.
Der Schwall an kalter Luft erreichte auch Marek und ließ ihn für einen Moment schaudern.
Nägele schloß schnell wieder die Tür, schimpfte über die Kälte und nahm seine Mütze ab.
Der Mann sah aus wie ein Räuber aus den finstersten Wäldern der Karpaten. Sein Haar war pechschwarz, der Oberlippenbart ebenfalls. Die Augenbrauen paßten auch dazu, und seine Pupillen schienen aus geschliffenen Kohlestücken zu bestehen. Durch die Kälte war seine Haut weiß geworden und an den Wangen leicht bläulich angelaufen.
Die Mütze hängte er an einen Haken, den Mantel ebenfalls. Darunter trug er einen alten Anzug und als Wärmeschutz noch einen dicken Pullover.
Von Marek beobachtet ging er zu einem zweiten Stuhl und nahm darauf Platz. Er rieb seine Hände, sagte aber noch nichts, sondern nahm die Thermoskanne, schraubte den hellen Deckel auf und kippte den Kaffee dort hinein.
Obwohl er dampfte, fragte er: »Ist er noch heiß?«
»Ich hoffe es.«
»Das ist gut. Hier friert einem alles ab. Ich sehne mich schon nach dem Frühling.« Er trank den heißen Kaffee und war froh, daß er ihn durchwärmte.
Dann setzte er den Becher ab und zog die breiten Augenbrauen in die Höhe.
»Und?« fragte Marek.
»Es ist der fünfte.«
»Sie meinen das Opfer?«
»Ja.«
»Kann ich es sehen?«
»Jetzt schon, denn die anderen sind fertig.«
»Gut.«
»Ich trinke nur noch einen zweiten Becher leer, dann haben wir freie Bahn.«
»Das fünfte Opfer, sagten Sie?«
Nägele nickte. »Und alle sahen gleich aus. Völlig zerrissen.« Er schüttelte sich. »Da ist eine Bestie losgelassen worden. Eine, die tötet und Blut trinkt.« Er schüttelte sich wieder, trank einen großen Schluck und schaute Marek an. »Können Sie das verstehen? Können Sie sich ein Bild davon machen?«
»Unter Umständen schon.«
»Ich hatte gehofft, daß Sie es sagen würden. Da sehe ich schon einen kleinen Lichtblick. Wer die Opfer so zurichtet, Marek, der ist für mich kein Mensch mehr, sondern eine Bestie. Wissen Sie, ich habe lange nachgedacht, vor allen Dingen über die Berichte, die nur von den wenigsten Menschen akzeptiert werden. Wobei wir beim Thema Vampire wären. Aber das habe ich Ihnen schon am Telefon gesagt, und Sie versprachen mir, sich umzuhören. Es ist alles klar, das werden Sie getan haben, und ich bin froh darüber, daß wir beide reden können. Worauf ich aber zuerst hinauswill, ist die Art des Tötens. Es will mir einfach nicht in den Kopf, daß diese Menschen von einem Vampir gebissen worden sind.« Er
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