0957 - Der Traumplanet
Armbandthermometers. Hätten sie diese Fahrt in die Tiefe auf der Erde oder einem vergleichbaren Planeten unternommen, dann wäre die Temperatur der Umgebung seit dem Einstieg in den Schacht um zwanzig bis dreißig Grad gestiegen. Hier jedoch registrierte das Thermometer eine Temperaturerhöhung von nur zwei Grad. Die Vermutung, daß Guckys Inn im Innern anders aufgebaut war als normale Planeten, erschien aufgrund dieser Beobachtung um so plausibler. Es vergingen etliche Stunden „Wenn ich mich irgendwie in eine bequeme Lage schwingen konnte, würde ich versuchen zu schlafen", beklagte sich Dano.
„Das ist keine schlechte Idee. Aber einer von uns muß jeweils die Augen offenhalten. Mit einhundert Stundenkilometern gegen die Schachtsohle zu knallen, ist kein reines Vergnügen."
*
Es war immer dasselbe Bild: großflächige Leuchtplatten, die aus dem Hintergrund hervorglitten, an einem vorbeischossen und auf der anderen Seite wieder in den Hintergrund verschwanden. Ein Bild, das die Sinne verwirrte und den Verstand an sich selbst zweifeln ließ. Gucky schloß mitunter minutenlang die Augen, um dem Alptraum wenigstens für kurze Zeit zu entgehen.
Ein Empfinden für die Art der Fortbewegung haste er schon seit langem nicht mehr. Er spielte mit dem Gedanken, er bewege sich mit großer Geschwindigkeit auf- anstatt abwärts, und seine Vorstellungskraft haste keine Mühe, die Illusion zu akzeptieren. Ebenso leicht war es sich einzubilden, er flöge durch einen horizontalen Stollen.
Wie range noch ...?
Die Nerven reagierten empfindlich auf das erste, undeutliche Gefühl sanften Drucks. Der Ilt zuckte und versetzte sich damn’, ohne es zu wollen, in langsame Drehung.
„Vorsicht!" hörte er Dano rufen. „Ich glaube, da kommt was!"
Gucky aktivierte den G-Feldgenerator. Innerhalb einer Minute gelang es ihm, die eigene Haltung zu stabi lisieren. Der Druck war inzwischen deutlicher spürbar geworden. Der Schacht enthielt jetzt ein Schwerefeld mit einem nach oben gerichteten Vektor von geringer Größe. Der Fall wurde gebremst. Die Leuchtplatten in den Wänden des Schachtes zogen mit geringerer Geschwindigkeit als bisher durch das Blickfeld.
Der Ilt sah nach unten. Das Bild hatte sich gewandelt. Statt der sinnverwirrenden, konturlosen Lichtfülle des ewig tiefen Schachtes erblickte er eine in orangefarbenes Licht getauchte Plattform. Er hielt die Hand am Regler des G-Feldgenerators, um den Fall zu bremsen, falls es notwendig wurde. Das Antigravfeld des Schachtes jedoch erwies sich als unparteiisch und machte keinen Unterschied zwischen Befugten und Unbefugten. Ebenso wie die Kellner etliche Stunden zuvor, wurden auch Gucky und Milder Dano sanft auf der Sohle abgesetzt.
Die Szenerie war atemberaubend fremdartig. Durch den hohen, breiten Schachtausgang fiel der Blick auf eine riesige, nach links geneigte Felsplatte. Ihre Oberfläche war glatt wie erstarrter Schmelzfluß - so glatt in der Tat, daß sich in ihr die Leuchtplatten spiegelten, die in die Dutzende von Metern hohe Decke eingelassen waren. Die Ausdehnung der Platte war unmöglich zu schätzen. Sie schien sich von einem Ende der Welt bis zum anderen zu dehnen, kilometerweit, nach rechts hin ansteigend, nach links hin absinkend, und nirgendwo gab es auc,h nur den geringsten Anhaltspunkt, in welcher Richtung sich die Kellner bewegt haben mochten.
Milder Dano hatte vor Staunen bislang kein Wort hervorgebracht. Den Kopf in den Nacken gelegt, folgte er dem Verlauf der Decke. Schließlich stieß er hervor: „Eine natürliche Höhle! Welch ein Wunder! Durch Gesteinsverschiebung entstanden. Die beiden Felsschichten haben sich entlang dieser Naht voneinander gelöst und die Fläche entstehen lassen."
„Stabil, meinst du?" fragte der Ilt.
Dano deutete zu den Leuchtplatten hinauf.
„Stabil genug für den, der sich hier unten eingerichtet hat."
Gucky blickte über die Weite der Felsfläche und glaubte, in der Ferne einen Lichtstreifen zu sehen, dessen Helligkeit intensiver war als die der Deckenlampen. Er verlief quer durch das Blickfeld und verlor sich an den beiden Enden in verwaschener Undeutlichkeit. Es sah fast so aus, als öffne sich dort die gewaltige Höhle - doch wohin, das ließ sich von hier aus nicht erkennen.
Dano sah den Lichtstreif ebenfalls, wenn er die Augen zusammenkniff.
„Da wissen wir wenigstens, in welche Richtung wir zu marschieren haben", sagte er überraschend gut gelaunt.
Der Ilt wandte sich um und musterte die nähere
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