0958 - Der Keller
von den Ratten aus, die Beute witterten, aber daran wollte sie nicht so recht glauben.
Der Strahl wischte hin und her. Er war wie ein Abbild ihrer Seele. Vicky spürte die Angst wie Blei. Die hohen Kisten vor ihr strömten plötzlich etwas wie Tod und Moder aus.
Verdammt! dachte sie. Ich habe mir zuviel vorgenommen. Das hier ist mir nicht geheuer. Das ist unheimlich. Hier lebt etwas. Ich spüre es deutlich. Es ist unheimlich. Nicht mehr zu ertragen. Ich merke es. Es drückt gegen mich…
Etwas knirschte. Vicky wußte im ersten Moment nicht, wo das passierte, dann sah sie, wie eine der Kisten von innen einen Druck bekommen hatte. Die Vorderseite war ins Schwanken geraten. Sie war dabei, sich aus ihrer Vernagelung oder Verleimung zu lösen, noch ein letztes Reißen, dann kippte sie auf Vicky zu.
Die Frau drehte sich zur Seite, aber sie war nicht schnell genug. Die Frontseite der hohen schrankartigen Kiste erwischte sie voll und drückte sie zu Boden.
Etwas traf ihren Kopf. Die Lampe rutschte ihr aus der Hand. Vicky wollte noch um Hilfe schreien, aber ihr Mund war plötzlich voller Staub, der auch im Nacken kratzte, und ihr die Stimme nahm. Dann prallte noch etwas gegen ihren Kopf.
Es wurde finster um sie!
***
Tom Dohle fühlte sich alles andere als glücklich. Je mehr Zeit vergangen war, um so stärker hatte er das Gefühl gehabt, einen großen Fehler begangen zu haben. Er hätte Vicky nicht allein in diese verdammte Unterwelt gehen lassen sollen. Es war der große Fehler gewesen, aber nun mal nicht zu ändern.
Er stand hier oben, sie war in den Keller gestiegen. Einmal hatte sie sich gemeldet, und darüber mußte Tom auch nachdenken, denn er war mit ihrer Stimme nicht zurechtgekommen. Sie hatte zwar normal geklungen, aber so, als wäre Vicky meilenweit entfernt gewesen, versteckt in einem Loch oder Tunnel tief im Keller.
Mutig war sie ja, das mußte er schon zugeben. Viel mutiger als er.
Er schüttelte sich. In dieser verdammten Halle fühlte er sich alles andere als wohl, obwohl er nicht im Dunkeln eines Kellers umherirrte und mit wenigen Schritten den Ausgang erreichen konnte. Die Umgebung war zu unheimlich und unwirklich.
Die hohe Decke. Das Treppenhaus. Die Gänge an den Seiten in den einzelnen Etagen. Es sah für ihn aus wie eine finstere Theatergalerie, und er hätte sich nicht gewundert, wenn plötzlich Gestalten erschienen wären, um über das Geländer hinweg in die Tiefe zu starren.
Einbildung, dachte er. Deine Phantasie ist zu stark. Sie geht einfach mit dir durch. Du bildest dir Dinge ein, die es tatsächlich nicht gibt, die gar nicht existieren. Du machst dich wieder nur selbst verrückt, das ist nicht gut.
Er ging vor bis zur Treppe und starrte die Stufen hinab, über denen die Dunkelheit schwamm.
Was war dort unten? Der Keller - okay, das hatte ihm auch Vicky erklärt, als sie sich meldete, aber es war nicht normal. Sie hätte noch etwas sagen müssen. Sie war tiefer in den Schlund hineingegangen, und er fragte sich, ob die Kraft ihrer Stimme ausreichte, ihn auch aus einer gewissen Entfernung zu rufen.
Der Reporter wartete ab. Die Kamera hielt er schußbereit. Das war ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Nur fand er kein Motiv. Dohle ging rückwärts von der Treppe weg. Er bewegte sich und die Kamera. Immer auf der Suche nach einem Schnappschuß, der so etwas wie ein Beweis für bestimmte Dinge war.
Es klappte nicht.
Er sah nur die verdammte Halle, die wie unter einem blaugrauen Schleier lag. Das Tageslicht wurde von den dicken Mauern abgehalten, und die wenigen Fenster ließen auch nicht gerade viel durch. Der Fotograf ging dorthin, wo sich die Portiersloge befand. Er betrat sie, entdeckte dort keine neuen Spuren, bis auf eine Flasche Wein, die am Boden lag und noch verkorkt war.
Nein, das war alles nichts.
Er ging wieder zurück.
Die Kälte drang von allen Seiten auf ihn ein. Er spürte sie auch innerlich.
Sie war da wie kalter Leim, der sich in seinem Körper festgesetzt hatte.
Tom fing an zu pfeifen. Wie ein kleiner Junge, der Angst hatte, in einen finsteren Keller zu gehen und sich deshalb selbst Mut machen mußte.
Dohle pfiff weiter. Keine Melodien, er machte nur Geräusche und pfiff das, was ihm gerade einfiel.
Töne, Geräusche, irgendwas…
Er wollte noch einmal zu der Kellertreppe. Die Sorgen um Vicky waren um einiges gewachsen. Er machte sich noch stärkere Vorwürfe. Er hätte sie nicht allein gehen lassen sollen, und er nahm sich vor, nach ihr zu schreien und
Weitere Kostenlose Bücher