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0959 - Der Fallbeil-Mann

0959 - Der Fallbeil-Mann

Titel: 0959 - Der Fallbeil-Mann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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würde schweigen, das wurde noch einmal versprochen, und sie waren froh, es schnell hinter sich zu bringen.
    Die Prozession der Nonnen sah schaurig aus, als sie sich durch die Dunkelheit bewegten. Sie gingen hintereinander. Sie waren dunkler als die Nacht und glichen einem großen Lindwurm von unterschiedlicher Höhe, als sie den Bereich des Schloßgartens erreichten und dem tiefen Teich immer näher kamen.
    Die Toten und die Guillotine würden im Schlamm versinken! Die Nonnen hatten die beiden Leichen bereits mit Steinen beschwert. Sie steckten in Säcken. Es würde alles klappen, denn mit einer Störung brauchten die Nonnen nicht zu rechnen. Selbst das Fallbeil steckte wieder in der Kiste, die ebenfalls im Teich verschwinden sollte.
    In dieser Nacht zeigten sich keine Sterne. Auch der Mond glotzte nicht auf die Erde. Der Himmel über den Köpfen der frommen Frauen wirkte wie ein dicker, feuchter, grauer Schwamm.
    Niemand sprach. Gesagt worden war alles. Wenn jemand redete, dann war es die Oberin, die an der Spitze des Zuges ging. Den Kopf gesenkt, die Hände zum Gebet gefaltet. Tatsächlich betete sie leise vor sich hin und bat den Herrgott um Verzeihung. Sie wußte, daß es schwer werden würde, aber sie hatte keine andere Möglichkeit gesehen.
    Das Ufer des Teichs war bald erreicht. Die Nonnen verteilten sich dort und schauten auf das Wasser, das geheimnisvoll und dunkel vor ihnen lag.
    Es war immer düster, es war immer kalt, selbst im hellsten Licht der Sommersonne.
    Auf Annas Wink hin hatten sie die beiden Leichen rücklings auf den Boden gelegt. Die Kiste sollte zuerst versenkt werden. Sechs Nonnen hoben sie an und schleppten sie so weit in das Wasser hinein, daß es ihnen bis zu den Waden reichte.
    Dann gab die Oberin ihre Anweisungen, und die sechs Nonnen verstanden es.
    Sie holten aus und schleuderten die Kiste ins tiefere Wasser.
    Es klatschte. Der Teich schäumte. Die Stille wurde gestört. Spritzwasser benetzte die Gesichter der Frauen und klatschte auch gegen ihre Kutten.
    Sie traten wieder zurück, und die Oberin nickte ihnen zu, denn auch sie war zufrieden.
    Die Kiste schwamm noch ein Stück hinaus, wurde langsam und versank.
    Bald würde sie im schlammigen Grund feststecken, hoffentlich für alle Zeiten.
    »Gut«, sagte die Oberin. »Das ist sehr gut gewesen. Nun die beiden Toten.« Sie trat an die Leichen heran und schaute in ihre bleichen Gesichter.
    Da lag Carlos. Seine Hände waren auf der Brust gefaltet. Die Augen hielt er geschlossen.
    Dicht neben ihm hatte der Henker seinen Platz gefunden. Beinahe so dicht, daß er den anderen berührte. Beide bewegten sich nicht, beide waren tot, aber die Oberin war plötzlich von einer wahnsinnigen Angst erfüllt davor, daß sie etwas falsch gemacht haben könnten. Sie wollte die beiden so rasch wie möglich loswerden, und das sagte sie ihren Mitschwestern auch, das heißt, sie wollte es ihnen sagen, aber sie kam nicht mehr dazu, denn das Zucken des toten Henkers war keine Einbildung.
    Zucken?
    Eine Leiche?
    Anna hielt sich tapfer. Sie war die einzige, die es gesehen hatte, so hoffte sie. Ihr Herz schlug schnell, und sie dachte daran, daß der Henker dem Teufel gehörte, daß er ihm seine Seele verschrieben hatte.
    Mein Gott, was geschah hier?
    Der Fallbeil-Mann öffnete die Augen. Nur für einen winzigen Moment, der aber reichte aus, um Anna einen Blick in die Pupillen werfen zu lassen.
    Etwas strahlte ihr entgegen, vor dem sie eine wahnsinnige und kalte Furcht empfand. Es war etwas, das sie nicht kannte, aber es lockte in den Augen des Henkers.
    Das Böse. Ein Stück Hölle. Etwas Menschenverachtendes, etwas, das man nicht beschreiben konnte, das tief in seinem Innern steckte.
    Anna mußte etwas tun, das wußte sie, und sie schüttelte heftig den Kopf.
    Ihre Schwestern hatten von der unglaublichen Veränderung nichts mitbekommen, und sie wollte ihnen auch nichts darüber berichten, zumindest jetzt nicht. Es war wichtig, daß die beiden ebenfalls im tiefen Wasser verschwanden, und sie half sogar mit, sie in den Teich zu werfen.
    Mit dem Henker begannen sie.
    Er klatschte auf und war bald verschwunden, denn die Steine zerrten ihn in die Tiefe.
    Dann folgte Carlos.
    Bevor er im Teich verschwand, hatte ihn die Oberin noch gesegnet. Er hatte sein Leben praktisch für sie und ihre Aufgabe hingegeben und war so etwas wie ein Märtyrer geworden.
    Der Teich fraß beide.
    Das Wasser beruhigte sich wieder. Die Wellen liefen sich aus, und dann lag die Fläche wieder

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