096 - Der grüne Leichnam
Coco und ich schweigend zum Auto zurückkehrten.
Ich hatte mich geirrt. Muriel besuchte kein Mitglied der Magischen Bruderschaft. Sie und ihr toter Mann blieben verschwunden.
Am Nachmittag hatten sich alle Mitglieder der Bruderschaft im Tempel getroffen; bei keinem waren Anzeichen festzustellen gewesen, daß er von Hekate verhext worden war.
Der Abend kam, aber nichts geschah.
Für mich stand fest, daß Hekate eine Teufelei ausbrütete, doch im Augenblick konnten wir nichts unternehmen.
Kurz nach zwölf Uhr gingen wir schlafen.
Am nächsten Morgen telefonierte Abi mit Mansfield, der ihm aber nichts Neues berichten konnte. Wir versammelten uns im Wohnzimmer, besprachen die Situation und beratschlagten, was wir tun konnten. Die Besprechung brachte keine Resultate. Eines stand nur fest: Hekate steckte hinter Baines Tod und der Verwandlung von Muriel. Aber das half uns auch nicht weiter, da die beiden verschwunden waren. Irgendwo in London steckte Hekate. Unsere Aufgabe war es, ihren Aufenthaltsort zu erfahren.
Coco setzte sich mit den Freaks von London in Verbindung, doch auch sie konnten uns nicht weiterhelfen.
Schließlich bereitete Coco alles zu einer magischen Beschwörung vor, bei der ich ihr half. Ich konzentrierte mich ganz auf Hekate, während Coco die Beschwörungsformeln sprach. Doch die magische Kugel blieb dunkel. Die Beschwörung zeitigte keinen Erfolg.
Dieser Tag und die nächsten vergingen, ohne daß sich etwas ereignete. Das Warten machte mich unruhig. Ich fürchtete, daß ich nur meine Zeit vergeudete, während Luguri in der Welt weiterhin seine Untaten vollbrachte.
Luguri war nicht untätig. Er inszenierte Brände, Erdbeben und Springfluten, ließ Flugzeuge über Wohngebieten abstürzen und Eisenbahnen entgleisen.
Die Zeit brannte mir unter den Nägeln. So sehr ich das Zusammensein mit Coco genoß, so wurde mir doch mehr und mehr bewußt, daß ich nicht bleiben durfte. Immer mehr glaubte ich daran, daß Hekate das alles nur im Auftrag Luguris inszeniert hatte, um mich an London zu binden. Eine Nacht wollte ich noch warten. Wenn sich bis dahin nichts ereignet hatte, wollte ich mich mit Unga und Magnus Gunnarsson treffen.
George Mansfield war über Tom Baines Tod sehr betrübt. Nicht nur, daß er Tom als einen engen Freund betrachtet hatte; er war auch einer der größten Mäzene der Magischen Bruderschaft gewesen. Abi Flindt hatte ihm einen genauen Bericht gegeben, was im Hause Baines geschehen war.
Der Leiter des Londoner Tempel fühlte sich müde und niedergeschlagen. Dorian Hunters Verhalten war für ihn unverständlich gewesen. Er hatte mit Thomas Becker, dem Großmeister des Frankfurter Tempels, telefoniert, der sich ebenfalls Hunters Verhalten nicht erklären konnte. Eines stand auf jeden Fall fest: Hunters Ausscheiden aus der Bruderschaft war ein großer Verlust. Der Dämonenkiller hatte neue Maßstäbe gesetzt. Mansfield befürchtete, daß die Bruderschaft wieder in die Bedeutungslosigkeit zurückfiel, die viele Interessenten vor einem Eintritt zurückgehalten hatte.
Der Türgong riß George aus seinen trüben Gedanken. Langsam schob er den Stuhl zurück und stand auf. Er trat in die schlauchartige Diele und schritt schwerfällig zur Tür. Als er nach der Sicherheitskette griff, hielt er einen Augenblick inne. Er erinnerte sich an Abi Flindts Warnung.
Rasch beugte er sich vor und drückte das rechte Auge gegen den Türspion. Er hielt den Atem an. Vor der Tür stand Muriel Baine. Sie trug ein tief in die Stirn gezogenes Kopftuch und eine riesengroße Sonnenbrille. Ihre Haut hatte einen leicht grünlichen Schimmer. Die Glocke schrillte erneut. Mansfield trat zwei Schritte zurück. Sein Herz klopfte stärker. Geräuschlos huschte er ins Wohnzimmer. Mit zitternden Händen griff er nach dem Telefon und wählte Dorian Hunters Nummer. Nach dem zweiten Läuten wurde abgehoben. Miß Pickford war am Apparat.
„Hier spricht Mansfield. Ich muß Hunter ganz dringend sprechen."
„Einen Augenblick!" sagte Miß Pickford.
Nochmals wurde an der Tür geklingelt. Mansfield zuckte zusammen. Seine Hand umklammerte fester den Hörer.
„Hunter", meldete sich der Dämonenkiller. „Was gibt es, George?"
„Muriel ist gekommen", flüsterte er. „Sie hat schon dreimal geläutet."
„Ich komme sofort", sagte der Dämonenkiller. „Laß sie auf keinen Fall ins Haus!"
„Ich werde…"
Mehr sagte Mansfield nicht, da der Dämonenkiller bereits aufgelegt hatte.
Mansfield legte ebenfalls auf und
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