096 - Kreuzfahrt des Grauens
stolperte zu der schweren, eisernen Schotttür, öffnete sie mit zitternden, unsicheren Händen und eilte hindurch.
Die Tür fiel hinter ihm zu. Ridderboom wußte plötzlich wieder, in welcher Kabine er Angelina Dozal finden konnte. In seiner Panik fiel sie ihm zuerst ein, und deshalb flüchtete er sich zu ihr. Er polterte den Niedergang hinab, lief um ein paar Ecken und stand dann vor der gesuchten Kabine.
Er klopfte.
„Wer ist draußen?“
„R-R-Ridderboom, der Erste Offizier. Um Gottes willen, lassen Sie mich ein.“
„Haben Sie es so eilig?“
Angelina Dozal öffnete die Tür. Sie trug nur ein hauchdünnes Negligee, unter dem sich ihre Brustwarzen deutlich abzeichneten. Angelina war klein. Sie hatte ein hübsches, kalt wirkendes Gesicht und dunkle Augen.
Professionell musterte sie Ridderboom. Er war so bleich, als sei er einem Gespenst begegnet. Das sagte Angelina auch. Er drängte sich an Angelina vorbei in die Kabine.
Sie schloß die Tür.
„Sie sind hinter mir her“, sagte Ridderboom. „Henri DeVries und seine Mannschaft.“
Angelina Dozal runzelte die Stirn.
„Wer?“
„Der verfluchte Korsar. Er ist vor zweihundert Jahren mit seiner Galeone untergegangen, und jetzt ist er an Bord und will mich holen. Schinsang hat ihn zu einem dämonischen Leben verdammt.“
„Was?“
„Schinsang, der oberste aller Teufel.“
Angelina sah den langen Offizier völlig entgeistert an. Sie kam auf ihn zu, stellte sich auf die Zehenspitzen und schnupperte an seinem Atem. Sie trat zwei Schritte zurück.
„Aha!“ sagte sie. „Sie sind ja völlig betrunken, Mann. Scheren Sie sich zum Teufel. So eine Unverschämtheit, voll bis zum Uniformkragen zu mir hereinzustolpern. Los, raus, sonst setzt es was!“
Als Ridderboom nicht gleich die Kabine verlassen wollte, half Angelina mit dem Stöckelschuh nach. Sie traf den Ersten Offizier ein paarmal empfindlich, und er flüchtete aus der Kabine. Im Gang sah er sich zunächst um, ob die Schreckensgestalten schon da seien.
Sie waren es nicht, aber ein paar Männer und Frauen standen auf dem Gang, von dem Lärm in Angelina Dozals Kabine aufgestört.
„Eine Schande ist das!“ keifte eine ältere Negerin. „Auch noch ein Offizier!“
„Angelina!“ flehte Ridderboom. „Schick mich nicht weg. DeVries ist an Bord.“
„Mein Großonkel ist aus grünem Käse“, antwortete die resolute Angelina Dozal und schmetterte die Kabinentür zu.
„Ich werde mich beim Kapitän über Sie beschweren“, verkündete ein großer, schwergewichtiger Amerikaner drohend.
Bei dem Wort „Kapitän“ fiel Ridderboom etwas ein. Er mußte den Kapitän warnen! Er mußte Alarm geben! Er drängte sich durch die Zuschauer auf dem Gang und rief: „Schließt euch in eure Kabinen ein. Die Geister der Toten kommen.“
„Der spinnt“, sagte einer lakonisch.
„Ich weiß nicht“, meinte ein anderer. „Hier an Bord ist in den letzten Tagen allerhand passiert, und man hört so allerlei. Vielleicht hat der Mann wirklich etwas gesehen…“
„Klar hat er das, zu tief in die Flasche nämlich.“
Ridderboom lief durch die Touristenklasse zum Oberdeck. Er stolperte auf die Brücke, völlig außer Atem. Der Kapitän war nicht da.
„Wo ist der Kapitän?“
„Der liegt in seiner Koje, nehme ich an“, sagte der Zweite Offizier.
Ridderboom verließ die Brücke. Er polterte den Eisensteg hinunter. Der Zweite Offizier und der Rudergänger sahen sich an. Dann tippte der Zweite Offizier vielsagend an die Stirn.
Ridderboom rannte zur Kabine des Kapitäns, völlig außer Atem. Der Schweiß stand ihm auf der Stirn, und sein Herz schlug bis zum Hals. Er hämmerte an die verschlossene Tür.
„Kapitän Rizar! Kapitän Rizar! Machen Sie auf, Kapitän Rizar!“
Eine verschlafene Stimme antwortete brummend. Rizar schloß auf, blinzelte ins Licht. Sein Gesicht war vom Schlaf verquollen, sein Haar wirr, denn es war schon nach Mitternacht. Der Kapitän trug nur eine Pyjamahose. Seine Arme waren dünn. Die Rippen standen hervor, so mager war er.
„Ridderboom! Was wollen Sie, zum Teufel?“
„DeVries und seine Mannschaft sind an Bord. Sie wollen uns alle umbringen. Ich habe sie im Laderaum gesehen. Gräßlich! Gräßlich!“ Ridderboom wankte in die Kabine des Kapitäns und ließ sich in einen Sessel fallen. Er schnappte nach Luft wie ein Fisch auf dem Trocknen, „Ach, ich bin völlig fertig. Haben Sie vielleicht einen Fingerhut voll Whisky für mich da, Kapitän?“
Der Kapitän trat auf
Weitere Kostenlose Bücher