0961 - Der Fluch des Kobolds
klappte. Sie konnte sich halten. Wäre sie in einer Sauna gewesen, hätte sie nicht stärker schwitzen können. Dieser Schweiß behinderte sie, lief ihr in die Augen und trübte ihren Blick.
Jane atmete tief ein und durch die Nasenlöcher wieder aus. Sehr laut, aber der andere hatte nichts gehört.
Weit war er nicht weg. Nur wenige Schritte. Es würde einfach sein, ihn zu erreichen, wenn man normal in Form war und sich nicht so fühlte wie Jane.
Sie ging.
Und der erste Schritt fiel ihr schwer. Aufgrund der Bewegung zuckte der Schmerz wieder stärker durch ihren Kopf und explodierte unter der Schädeldecke.
Ihre rechte Hand glitt über die Jacke. Zum Glück steckte dort noch die Beretta.
Jane wischte den Schweiß von ihrer Handfläche weg, bevor sie die Hand auf den Griff legte.
Genau in diesem Augenblick hörte sie ein widerliches Geräusch. Ein Grunzen, als befände sich ein Schwein in der Nähe. Aber es war nur die verdammte Kreatur, die sich auf Muriel Shannon stürzen wollte…
***
Der Kobold starrte auf die Nackte! Vor ihm lag keine perfekte Schönheit, das waren die Menschen meistens nicht, aber da war eine Frau, die keinen Faden mehr am Leib trug. Da lag ein Mensch, und ein Wunschtraum hatte sich für den Druidenfürst Guywano erfüllt.
Er freute sich darüber, die Gestalt eines Kobolds angenommen zu haben. So hatte er in seiner Welt Verstecke gefunden, um andere zu beobachten, und es war ihm auch relativ leicht gelungen, die Grenze zu überwinden.
Jetzt war er hier. Er hatte sich aus der normalen Welt durch Hilfe seiner Schatten diese Frau herbeigeholt. Wenn er mit ihr fertig war, würde er sich die andere vornehmen.
Noch tat er nichts, denn in ihm mischten sich Gier und Vorfreude. Ein wenig ärgerte es ihn schon, daß sein Opfer ohnmächtig geworden war.
Er hätte sie lieber normal gehabt, und es wäre auch nicht übel gewesen, wenn sie sich gewehrt hätte. Er bückte sich.
Seine Arme schlenkerten dabei. Vor - zurück, vor und zurück. Und da hörte er die Schritte. Plötzlich war alles anders. Er vergaß die nackte Frau, glotzte in die Höhe und zugleich nach vorn.
Sein Gesicht verzerrte sich. Aus seinem Maul drang eine Speichelblase.
Mit seinen kalten Fischaugen starrte er nach vorn, aber er sah nicht nur die Blonde, sondern auch die Waffe, deren Mündung schräg nach unten auf seinen häßlichen Körper zeigte…
***
»Nein!« sagte Jane. »Nein, so nicht, du verfluchter Kretin! Du wirst es nicht tun. Nicht mit ihr, das schwöre ich dir. Du wirst die Frau in Ruhe lassen. Du wirst sie nicht mal berühren, sondern verschwinden. Verstanden?«
Der Kobold hob seinen häßlichen Kopf an. Der Mund stand offen. Er zeigte seine dicke, feuchte Zunge, auf der noch eine Schleimspur klebte.
»Schöne Frau!« flüsterte er. »Schöne Frau…«
»Geh!« keuchte Jane. »Raus aus diesem Haus!« Sie merkte, daß sie sich nicht mehr lange würde halten können. Die Nachwirkungen des Treffers waren noch längst nicht verdaut. Daß sie beide manchmal unscharf sah, lag nicht an einer Sehschwäche, sondern am Schwindel, der sie wie ein rasender Sog erfaßt hielt.
»Schöne Frau!« Der Kobold streckte seinen Arm aus, um mit den verdammten Krallen Muriel zu berühren. Jane wollte das nicht zulassen.
Sie schoß dem Kretin zwei Silberkugeln in den häßlichen Balg!
In einem Fall wie diesem hatte sich Suko das Staunen längst abgewöhnt. So wunderte er sich kaum noch, als er die Häuser vor sich sah, die dort begannen, wo sich der Weg wieder verbreiterte und der Wald längst verschwunden war.
Sie standen tatsächlich auf der grünen Wiese und waren so aufgebaut wie in Beragh. Nur fehlten die Gärten, die Sträucher, das alles war hier nicht vorhanden. Dafür entdeckte Suko allerdings zwei Gegenstände, die in einer Welt wie Aibon ebenfalls nichts zu suchen hatten.
Einen Opel Corsa und einen Golf älterer Bauart. Der Golf stand etwas schräg.
Es hatte sich noch etwas verändert, wie Suko auf seiner langsamen Fahrt gut beobachten konnte. In der normalen Welt hatten auf den Dächern der Häuser auch normale Vögel gesessen, hier aber hockten Tiere mit langen Schnäbeln, kantigen Flügeln und hornigen Körpern, eben diese fliegenden Drachen.
Daß sie nicht von irgendwelchen Reitern besetzt waren, sah der Inspektor als Vorteil an. Sollte er sich wehren müssen, dann nur gegen sie, was auch schon ausreichte und gefährlich genug war.
Suko bremste stotternd. Er ließ den Audi am Dorfeingang stehen.
Ungefähr
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