097 - Die Todestür
hinter den Sinn der ganzen Sache, aber ich mußte ihn ergründen. Was hier geschah, war kein Spiel und kein Spaß, sondern dämonischer Ernst. Wieder ließ ich meine Geisteskräfte in den Spiegel fließen. Eine große Schwäche überkam mich, aber ich sah jetzt klarer. Ich brauchte das Licht der Taschenlampe nicht mehr.
Ein Teil der Wand des Gewölbes verschwand - vielmehr, er hatte nie existiert. Magie hatte ihn vorgetäuscht. Luguris Magie. Ich sah eine völlig ebene Fläche vor mir, einen halben Meter über dem Boden des Gewölbes. In diese Platte war ein dreifacher magischer Kreis eingehauen. Nur der mittlere Kreisring zeigte magische und kabbalistische Symbole. Im ersten Ring saßen dreizehn Tonpüppchen, im innersten Kreis ein vierzehntes. Dieses vierzehnte Püppchen war durch feine Silberfäden mit jedem der dreizehn anderen verbunden. Silberfäden wanden sich um Arme und Beine des Tonpüppchens, und jeder Faden war um die Taille eines der Püppchen im äußeren Ring geschlungen. Andere Fäden führten in den Körper des Püppchens in der Mitte des magischen Kreises, in seine Augen, seine Brust, seinen Leib.
Zunächst begriff ich nicht, aber dann fiel es mir wie Schuppen von den Augen. Es war ein Bild- und Figurenzauber, eine besondere und komplizierte Art von Magie, wie sie nur ein Dämon oder Magier hohen Ranges durchführen konnte. Die dreizehn Tonpüppchen symbolisierten die dreizehn entführten Kinder, das vierzehnte aber war mein Sohn. Er war wie die Entführten zwei Jahre alt und am 27.10. geboren. Das ergab immerhin ein magisches Band zwischen ihm und den dreizehn andern. Coco hatte geglaubt, es gäbe für keinen Dämon eine Möglichkeit, an unseren Sohn mittels Magie oder Zauber heranzukommen. Luguri aber hatte sich eine besonders raffinierte Methode ausgedacht. Die dreizehn Kinder, die ich kriechend auf den magischen Fotos sah, sollten sich die Tonpuppen holen. Nicht die Tonpuppen auf der ebenen Fläche vor mir, sondern ihre Gegenstücke, die sich an dem Ort befanden, wo die Kinder gefangen gehalten wurden.
Wenn ein Kind sich eine Tonpuppe holte, riß es den silbernen Faden aus der Puppe in der Mitte des magischen Kreises. Sicher war dieses Püppchen befestigt. Es würde Arme und Beine abgerissen bekommen, wenn die Kinder sich die Tonpuppen holten, würde Augen und Eingeweide aus dem Körper gerissen kriegen.
Was dieser Tonpuppe widerfuhr, das geschah meinem Sohn am eigenen Leibe. Er würde in Stücke gerissen werden. Das war Luguris Absicht.
Und noch weiter ging sein böser Plan. Die Kinder würden mit ihren eigenen Tonpuppen spielen und diese sicher auch zerstören; Kinder in diesem Alter taten das. Sie würden den Puppen Arme und Beine ausreißen oder sie auf den Boden werfen. Damit töteten oder verstümmelten sie aber sich selbst.
Nur ein Satan wie Luguri konnte sich einen solchen Plan ausdenken.
Es hatte seinen Grund, daß sich die Bilder und Tonpuppen hier, die entführten Kinder aber an einem anderen Ort und mein Sohn an einem dritten befanden. So wurde ein magisches Kräftedreieck gebildet.
Ich durfte nicht länger zögern. Plötzlich hörte ich brausende Geräusche und dazwischen Luguris Stimme und sein hämisches Gelächter.
„Holt euch eure Spielzeuge, Kinder! Holt euch eure Puppen und spielt damit!"
Die Kinder auf den Bildern krochen schneller. Schon erreichten zwei den Rand der Abbildung, griffen lachend nach etwas.
Ich lief mit den Bildern und dem Ys-Spiegel die paar Meter bis zu der Platte mit den Tonfiguren und dem magischen Kreis, legte die Fotos auf die Platte und den Ys-Spiegel zur Seite. Der metaphysische Kontakt zwischen mir und dem Spiegel bestand nach wie vor; ich hatte auf die böse dämonische Seite gesehen.
Mir war schwindelig. Ohne meine Schwäche jedoch zu beachten, zog ich mein Taschenmesser hervor und kappte den ersten Silberfaden. Ich nahm die Puppe weg. Ein Tonpüppchen begann zu wackeln, und ich beeilte mich, seinen Faden zu durchschneiden und es fortzunehmen. Ein zweites wackelte, und ich durchschnitt seinen Faden und stellte es außerhalb des magischen Kreises zur Seite.
So durchtrennte ich alle dreizehn Fäden, die man gewiß als Schicksalsfäden bezeichnen konnte. Während ich die Püppchen wegstellte, sah ich, wie die Kinder auf den Fotos verschwanden. Ich hörte jeweils einen Kinderschrei, dann war ein Hochglanzfoto leer. Zum Schluß nahm ich das Tonpüppchen aus der Mitte des Kreises und stellte es zu den andern.
Ein Kinderlachen war zu hören,
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