097 - Leichenvögel
ebenso wie der gleichgestaltete Ring der Agentin eine
vollwertige Sende– und Empfangsanlage.
Aber
hier im Innern des Berges war es sinnlos, sie zu aktivieren. Kein Impuls würde
durch die dicken Felswände nach außen dringen.
»Sie
vergeuden unnötig Ihre Kräfte, mein Kind«, sagte da eine Stimme hinter ihr.
Mornas
Kopf flog herum.
Im
Dunkel zeichneten sich die Umrisse einer Person ab. Eine Frau.
Erinnerung
kam. War es nicht die gleiche, die ihr den Trank gegeben hatte?
Morna
ging furchtlos auf sie zu, obwohl sie fühlte, daß sie noch nicht im Vollbesitz
ihrer geistigen und körperlichen Kräfte war.
In
dem Getränk, das man ihr eingeflößt hatte, war irgend etwas gewesen, das
Lethargie und Kraftlosigkeit hervorrief, deren Nachwirkung sie noch spürte.
»Wer
sind Sie? Warum halten Sie mich hier fest?«
»Das
hätte nicht zu sein brauchen«, ging die Alte nur auf die letzte Frage ein.
»Warum mußten Sie auch in dem alten Haus herumschnüffeln?«
»Ich
bin durch einen Zufall dorthin geraten.«
»Und
durch einen Zufall haben Sie Karlot zu Gesicht bekommen.«
»Karlot?«
»Ein
Diener Rha-Ta-N’mys.«
Morna
hielt den Atem an. Larrys Befürchtungen fanden sich bestätigt.
Rha-Ta-N’my,
die gefürchtete Dämonengöttin, die vor Millionen von Jahren auf der Erde
wirkte, hatte es noch immer nicht aufgegeben, ihre Herrschaft erneut
anzutreten.
Seit
die PSA von ihrem Wirken wußte, waren Spezialisten damit beschäftigt, ehemalige
Zellen ausfindig zu machen, die eindeutig auf Rha-Ta-N’my zurückgingen. Aber
das war ein Gebiet, bei dem man wie über Sumpf ging.
Allein
vermochte Rha-Ta-N’my nichts. Sie war auf die Hilfe von Menschen angewiesen,
und wenn es einem Anhänger der dämonischen Sekte gelang, aus dem gefürchteten
Buch, das von Rha-Ta-N’my stammte, Beschwörungsformeln zu sprechen, dann konnte
er dadurch viel Unheil hervorrufen. Wer sich den Dämonen und ihren finsteren
Machenschaften verschrieb, war verloren und zog außerdem viele Unschuldige mit
ins Verderben.
Morna
atmete tief durch. Sie durfte jetzt nichts falsch machen.
Sie
fragte abermals nach dem Namen der Frau, die wie durch einen Zauber hier
aufgetaucht war.
»Ich
bin Ensebeth Mallory«, antwortete die Alte.
Ensebeth
Mallory! Die wollten sie aufsuchen.
Morna
stand ganz dicht vor ihr. Sie sah nicht viel in der Dunkelheit, sie ahnte mehr
die Gesichtszüge, die Frisur.
»Was
haben Sie mit mir vor?« fragte die Schwedin.
»Sie
müssen eines verstehen, mein Kind: Ich kann es nicht riskieren, daß durch einen
Zufall etwas zerstört wird, was jetzt noch im Werden ist. Ich habe den Weg
gefunden und werde ihn bis zum Ende gehen.«
»Wer
Rha-Ta-N’my dient, geht den Weg des Verderbens«, warnte Morna.
Ein
leises, dunkles Lachen schlug ihr entgegen. »Sie sind eine kleine,
nichtsahnende Närrin! Wer einmal die richtige Betonung der beschwörenden Worte
gefunden hat, der wird Macht erringen. Ich kann Menschen und Tiere verwandeln.
Ich werde das ewige Leben erringen. Im Buch der Geheimnisse steht geschrieben,
daß Rha-Ta-N’my ewige Jugend zu schenken vermag.«
»Leere
Versprechungen«, entgegnete Morna hart.
»Woher
wollen Sie das wissen? Ich habe es am eigenen Leibe erfahren. Es gibt Stunden,
da zeigt sie mir, wie schön es ist, wieder jung zu sein. Ich werde es Ihnen
beweisen. Heute nacht, wenn ich sie erneut rufe. Dann werde ich auch fragen,
was aus Ihnen werden soll.«
So
unverhofft und lautlos, wie sie gekommen war, verschwand sie auch wieder.
Sie
trat drei Schritte in das Dunkel zurück.
Dann
war es, als hätte es sie nie gegeben.
Morna
Ulbrandson war wieder allein.
●
Die
Bremsen quietschten.
Larry
Brent hielt direkt hinter seinem Leihwagen, auf dem eine fingerdicke
Schneeschicht lag. Die Scheiben waren vereist.
Vom
Auto der Reparaturwerkstätte aus Tonklin war noch nichts zu sehen.
X-RAY-3
begab sich sofort zu dem alten Haus.
Er
drang wieder in den Keller ein. Am Anfang sickerte noch Tageslicht herein, dann
wieder absolutes Dunkel. X-RAY-3 wiederholte die Suchaktion, die letzte Nacht
auf so unliebsame Weise unterbrochen worden war.
Er
nahm sich jeden Zentimeter vor, warf hin und wieder einen Blick auf seine
Armbanduhr, um die vermutliche Ankunft des Abschleppfahrzeugs nicht zu
verpassen.
Besser
als letzte Nacht gewann er einen Eindruck von der Länge und den Ausmaßen des
Stollens, der von geschickten Händen in den Fels getrieben worden war.
Der
Boden war mit abgeschliffenen Platten bedeckt, die
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