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0978 - In den Ruinen von London

0978 - In den Ruinen von London

Titel: 0978 - In den Ruinen von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
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Toten war beim Friedhof keiner mehr zu sehen, ebenso wenig wie von ihrem absonderlichen Erwecker.
    Vor einem Riss, der über die ganze Breite der Straße ging, hielt Tom mit dem BMW. Sie stiegen aus und besahen sich die Bescherung.
    »Whow, wie tief reicht der Spalt wohl in die Tiefe?«, sagte Carrie.
    »Weiß nicht. Aber selbst mit Anlauf werd’ ich die Karre kaum drübersetzen können.« Er zeigte auf die Grundstücke rechts und links, wo der Riss zu enden schien. »Gehen wir zu Fuß. Latschen wir durch fremder Leute Vorgärtchen. Die wird’s nicht mehr stören.«
    Die »Vorgärtchen« waren schierer Dschungel. Aber darauf brauchte Carrie nicht eigens hinzuweisen. Tom war nicht blöd. Nur oft etwas hitzköpfig. Er handelte und schaltete dann das Denkstübchen ein. Carrie hingegen dachte, das wusste sie selbst, oft zu viel über alles nach. Und dann neigte sie dazu, lieber gar nicht erst ihren gewohnten Tagesrhythmus durcheinanderzubringen.
    Vor der Krankheit war das anders gewesen. Da hatte ihre Mum oft mit ihr geschimpft, weil sie so gedankenlos jeder Eingebung gefolgt war, die ihr gerade kam.
    Aber eigentlich war ihre Mum schuld, dass sie so unspontan geworden war. Sie hatte sie vor allem und jedem schützen wollen, angefangen bei ihrem Dad, der »nicht gut« für sie sei, bis hin zu Sportarten oder Spielen, bei denen »man sich verletzen« konnte.
    Carrie schniefte kurz, weil ihr bewusst wurde, dass ihre Mum sie verdammt lieb gehabt haben musste, wenn sie sich solche Sorgen um sie machte…
    »Okay«, sagte Carrie.
    Sie ließen den BMW, den Riss in der Straße, den verwilderten Vorgarten eines verwaisten Hauses und noch viel mehr hinter sich und pirschten sich langsam aber sicher immer weiter an die Innenstadt heran.
    Zu dem Ort, wo der Riese seine Wurzeln ins Erdreich geschlagen hatte.
    Der Riese, der nicht wie bei Jack einem Märchen, sondern schauriger Realität entsprungen war.
    ***
    »Was ist eigentlich aus der Queen geworden?«, fragte Carrie unvermittelt, als sie in Sichtweite des Buckingham Palace kamen. »Oder Scotland Yard? Ich dachte immer, Scotland Yard kriegt jeden Verbrecher. Warum nicht den, der das hier angerichtet hat?«
    »Weil das kein ›Verbrecher‹ war«, erwiderte Tom. »Hey, mach nicht, als wärst du doof. So klein bist du doch auch nicht mehr. Das hier hat kein Krimineller ›verbrochen‹. Dahinter steckt etwas richtig Finsteres.«
    Carrie nickte, erwiderte aber nichts auf den Rüffel.
    Stattdessen jammerte sie: »Mir tun die Füße weh. Dir nicht?«
    »Ich bin für jede Minute dankbar, in der ich meinen Körper mit solchen Wehwehchen spüre - und nicht mit irgendwas Ekligem, das nach mir grapscht! Das solltest du übrigens auch sein. Froh, meine ich. Es ist ein Wunder, dass es uns noch nicht erwischt hat.«
    »Was?«
    »›Es‹ halt.«
    Carrie schüttelte den Kopf. In einem ehemaligen Lebensmittelmarkt, der von riesigen Schlingwurzeln durchdrungen war, die aussahen, als hätte die Natur Jahrzehnte gebraucht, um sie so zerstörerisch wachsen zu lassen, hatten sie sich mit dünnen Stoffrucksäcken und gehörig Proviant versorgt. Nichts Verderbliches, sondern Sachen, die auch ohne Kühlung ewig hielten. Dazu jeder ein paar Fläschchen mit Mineralwasser.
    Der Baum, der London mit seiner Krone überragte, wirkte von hier aus noch weit mächtiger als von ihrem früheren Standort in den Highgate Woods. Das Sonderbarste an dem Giganten war, dass man ihn nicht wirklich scharf zu sehen bekam. Ein Phänomen, das Tom bestätigte, nachdem Carrie zunächst geglaubt hatte, es ginge nur ihr so.
    Nicht nur der gewaltige Stamm, auch die Äste und Blätter - waren das überhaupt Blätter? - entzogen sich genauer Betrachtung. Irgendetwas flirrte um den Baum wie erhitzte Luft, vielleicht lag es auch an dem fahlen Glanz, den er nachts verströmte. Irgendein ungutes Licht, mit dem die Netzhäute ihre Probleme hatten. Licht, wie die Natur es nie vorgesehen hatte…
    Carrie merkte, wie ihre Gedanken ins Abstruse abdrifteten, sobald sie sich mit dem Baum befassten.
    Dabei hatten sie das Wagnis, sich vom Cottage zu entfernen, nur auf sich genommen, um Näheres über den Baumgiganten und seine Bedeutung in Erfahrung zu bringen.
    So hatte Tom es jedenfalls formuliert.
    Tom, zu dem sie aufsah, Tom, ihr Held.
    Tom, der neben ihr zu röcheln begann.
    ***
    Scheinbar aus dem Nichts war die Schnur geflogen gekommen und hatte sich warnungslos um Toms Hals gewickelt.
    Eine Peitschenschnur, erkannte Carrie, die wie

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