Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0979 - Der Totenhügel

0979 - Der Totenhügel

Titel: 0979 - Der Totenhügel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
Vom Netzwerk:
der Dunst über den Boden.
    Das Mädchen drückte noch immer seine Puppe gegen die Brust. Dann stieß es zweimal mit dem rechten Fuß auf. »Bist du noch immer da, Stimme? Bitte, melde dich doch…«
    »Ja, ich bin noch da…« Das Flüstern drang geheimnisvoll aus dem Boden, und Lilians Spannung wuchs noch mehr an. Bisher hatte sie leider nicht erfahren können, wer oder was da in der Tiefe des Hügels begraben lag, aber es musste ein Mensch sein, denn nur Menschen konnten sich mit Menschen unterhalten.
    »Warum kann ich dich denn nicht sehen?« fragte sie leise und wusste genau, dass sie gehört wurde.
    Sie schaute auch nach unten. Hielt die Puppe fest und kam auf sie zu sprechen. »Auch Oscar möchte sehen, wer hier lebt. Bitte, du bist doch nicht schlecht. Ich habe auch keine Angst vor dir.«
    »Nein, meine Kleine. Ich bin nicht schlecht.«
    »Was bist du dann?« fragte Lilian mit ihrer kindlichen Naivität. »Bist du gut?«
    Diesmal musste sie auf die Antwort warten. »Weißt du, meine Kleine, ich bin anders…«
    Lilian schüttelte den Kopf, weil sie nicht begreifen konnte. »Wie anders bist du denn?«
    »Das kann ich dir nicht sagen.«
    »Siehst du denn aus wie ein Mensch?«
    »Warum fragst du?«
    »Oder bist du ein Tier, das sprechen kann?«
    »Nein, das bin ich nicht. Ich bin ein Mensch, ja, ich bin ein Mensch, wenn du so willst.«
    »Dann brauche ich ja keine Angst zu haben.«
    »Das stimmt. Vor mir nicht. Vor uns nicht. Wir wollen nichts von euch, kleine Lilian.«
    Das Kind musste lächeln. »Du kennst sogar meinen Namen. Aber deinen hast du mir nicht genannt.«
    »Das ist auch nicht wichtig.«
    »Schade.« Sie zog einen Flunsch. »Ich hätte ihn so gern erfahren. Du bist schon so etwas wie eine Freundin. Es ist so komisch. Du kannst mit mir sprechen, aber ich kann dich nicht sehen. Wie kommt das überhaupt? Du liegst in der Erde. Du müsstest doch tot sein.«
    »Vielleicht bin ich das.«
    »Aber Tote können nicht mehr sprechen. Das hat mir mein Dad immer erzählt. Und das weiß ich auch so. Ich sehe auch die Kerzen. Meine Mummy hat oft eine Kerze für ihre Großmutter angezündet. Die ist schon lange tot. Ich weiß deshalb, dass man für die Toten Kerzen anzündet. Hat man für dich auch die Kerzen aufgestellt?«
    »Ja, das hat man, meine Kleine.«
    »Aber ich habe es nicht getan.«
    »Das weiß ich. Es war ein anderer.«
    Wenn Lilian einmal fragte, dann war sie nicht so leicht zu stoppen. Das merkte die geheimnisvolle Person im Hügel auch, denn die nächste Frage folgte sofort. »Kenne ich den?«
    »Das glaube ich, er ist dein Onkel. Er hat mich gefunden.«
    »Und dir die Kerzen gebracht, nicht?«
    »Ja, das hat er getan.«
    »Was noch? Hat er dich gesehen? Kennt er dich? Weiß er, wie du aussiehst, Freundin?«
    »Er weiß es bestimmt.«
    »Aber er hat nie mit mir darüber gesprochen. Ich - dabei habe ich dich gespürt. Du hast mich zum Hügel geholt. Ich musste einfach zu dir kommen, stimmt das?«
    »Ja, es stimmt.«
    »Dann möchte ich dich gerne sehen, Freundin.« Sie hatte das ausgesprochen, was sie schon seit langem fühlte. Der starke Drang steckte in ihr, er beherrschte das Kind. Der Hügel war ein Ort der Glückseligkeit für sie, und alles wäre perfekt gewesen, wenn der Kontakt mit der fremden Freundin zustande gekommen wäre.
    Aber die Stimme schwieg. Die andere Seite wollte nicht mehr sprechen, und Lilian fing an zu zittern.
    Sie hatte Angst davor, etwas Falsches gesagt zu haben, aber sie wollte es auch genau wissen. »Warum sagst du nichts? Bist du jetzt sauer? Habe ich was Falsches getan?«
    »Nein…«
    Lilian Kline war erleichtert, als ihr der Hauch der Stimme aus dem Boden entgegenwehte. Plötzlich lag wieder ein Lächeln auf ihrem hübschen Gesicht. Sie hatte es ja gewusst, ja, sie hatte es genau gewusst. Angst brauchte sie nicht vor der Fremden zu haben. Sie ist immer noch meine Freundin, dachte Lilian, auch wenn sie nicht zulässt, dass ich sie sehe und in ihrem Grab besuche. Aber sie ist meine Freundin. Sie ist richtig nett zu mir.
    »Du freust dich, nicht wahr?«
    »Ja, ich freue mich. Du bist mir nicht böse, das ist schön. Aber ich bin auch traurig.«
    »Warum?«
    »Weil ich bald wieder weg muss. Ich bin hier nur zu Besuch. Bei meiner Tante und bei meinem Onkel. Aber bald muss ich wieder nach Hause in die Stadt.«
    »Das macht dich traurig?«
    »Ja.«
    »Du würdest am liebsten hier bleiben?«
    »Sogar hier zur Schule gehen«, gab Lilian flüsternd zu. »Ich habe mich daran

Weitere Kostenlose Bücher