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0979 - Die Schlacht von London

0979 - Die Schlacht von London

Titel: 0979 - Die Schlacht von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Adrian Doyle
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aufgeschlitzter Torso auseinanderklaffte.
    Nur in Unterwäsche stellte sich Daniel kerzengerade neben den Hightech-Anzug, der ihm nie fremder und unsinniger erschienen war als in diesem Moment.
    Dann streifte er auch noch die restliche Kleidung ab und begutachtete seinen nackten Körper, der an mehreren Stellen Verfärbungen aufwies, die wie alte, gut verheilte Narben aussahen.
    Waren das die Stellen, wo ihn etwas durchbohrt hatte?
    Unsinn. Wie hätte es so schnell verheilen können?
    Er ignorierte die eigene Skepsis und strich vorsichtig mit den Fingerkuppen über die leicht erhabenen Hautstellen.
    Als hätte es dessen nur bedurft, platzte die Haut auf, und Daniel beobachtete mit geweiteten Augen, wie etwas Pflanzliches daraus hervorspross. Eine winzige Blume, die innerhalb weniger Sekunden aus wuchs, erblühte - und anschließend sofort verwelkte. Anschließend krampfte die Haut an der betreffenden Stelle und presste etwas hervor, das vor Daniel zu Boden fiel.
    Er bückte sich und hob es auf.
    Es sah aus wie ein vertrocknetes Samenkorn.
    Daniel schleuderte es von sich. Dann tastete er nach jeder weiteren Stelle, die ihm auffällig erschien. Ein ums andere Mal wiederholte sich der Vorgang: Etwas wuchs hervor, erblühte, verwelkte und wurde regelrecht aus Daniels Fleisch herausgequetscht.
    Daniel hielt es für möglich, dass noch weitere Stellen am Rücken existierten, an die er aus eigenem Geschick nicht herankam. Aber damit wollte er sich später befassen.
    Er schlüpfte wieder in seine Unterwäsche, orientierte sich kurz und setzte sich dann vorsichtig in Bewegung.
    In seinem Kopf war ein sonderbarer Druck, der ihm zu schaffen machte. Aber er hielt ihn aus.
    Unweit von ihm befand sich der Übergang in einen tieferen Bereich des immer noch gleichen Astes. Ganze Straßenzüge hätten darin Platz gefunden.
    Daniel sprach sich Mut zu.
    Zumindest glaubte er, dass er es war.
    Und so gelangte er an einen Ort, wo er bereits erwartet wurde.
    Wo eine Gestalt winkte, die ihm gleich bekannt vorkam. Aber erst als er fast vor ihr stand, erlaubte er sich, an die Begegnung als etwas Reales zu glauben.
    »Paul!«
    Sein Fliegerkamerad sah ihn mit leeren Augen an.
    ***
    »Wie kommst du hierher?«
    »Fallschirm«, sagte Paul wortkarg.
    »Wie ich! Hey, vielleicht haben wir uns denselben Schutzengel geteilt. Der Bursche hat jedenfalls ganze Arbeit geleistet.« Daniel sah sich um. »Sind hier vielleicht noch andere von uns?«
    Paul schüttelte den Kopf. Bis auf den Helm mit der Sauerstoffmaske trug er noch seine komplette Montur; sie war ebenso durchlöchert wie Daniels Anti-g-Anzug.
    »Wurdest du auch verletzt?«
    Paul wirkte ob der Frage überfordert. Er legte die Stirn in Falten. »Was… meinst du?«
    Daniel zeigte auf die Anzugslecks.
    Paul schaute nur kurz hin, dann fasste er Daniel am Arm und setzte sich in Bewegung.
    Widerstrebend ließ Daniel sich mitziehen. »Hey, wohin willst du?«
    »Nicht warten lassen.« Paul beschleunigte seinen Schritt. »Dürfen nicht warten lassen.«
    »Wen?«
    Wieder wirkte Paul überfordert. Daniel stemmte sich gegen den Zug des Kameraden. Paul blieb stehen. Auf seinem Gesicht zeichnete sich Unmut ab wie dunkle Flecken. Dunkle Flecken, unter denen sich etwas bewegte. Unter der Haut.
    Daniel schlug die Hand weg, die ihn immer noch festhielt, und sprang einen Schritt zurück. Aus Pauls Wange platzte etwas hervor, das sich zu einer blühenden Pflanze entwickelte und Daniel schluckte. Erwartete darauf, dass das Gewächs, das in Paul wurzelte, ebenso verwelkte, wie er es bei sich beobachtet hatte. Mehrfach. Aber das passierte nicht. Immer mehr Hautbereich platzten bei Paul auf, und weitere Blumen sprossen hervor.
    Innerhalb von wenigen Minuten wurde der Kamerad zu einer Art lebender Vogelscheuche, die dem Zauberer von Oz
    entliehen schien. Daniel wich noch etwas weiter zurück. »Paul?«
    Paul antwortete nicht. Er schien Daniel gar nicht gehört zu haben. Oder ganz vergessen. Jedenfalls kehrte er ihm den Rücken - aus dem auch Gewächse wucherten - und wankte davon.
    Daniel war wie vom Donner gerührt. Obwohl es ihm eigentlich widerstrebte, heftete er sich an Pauls Fersen.
    Paul? Er schüttelte den Kopf. Wenn er eines sicher wusste, dann das: Der Mann, der einen Steinwurf voraus durch den hohlen Riesenast schwankte, war nicht mehr der Paul, den Daniel einmal gekannt hatte.
    Aber für Daniel viel schwerer wog die Frage, ob er selbst noch der war, der zu sein er hoffte…
     
    5.
    Gegenwart
    Nicole nieste

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