098 - Die Geistergirls von W
dann
zitternd und ratlos stehenblieb. Im nächsten Moment eilten von allen Seiten
schon Leute auf den Gestürzten zu. Auch Sonja Rösch setzte sich in Bewegung und
begann unbewusst zu rennen, um so schnell wie möglich
an der Stelle zu sein, wo der Mann zu Boden gegangen war.
Das Herz der Frau pochte wie rasend. Sie war Sekunden später
mitten unter den Neugierigen. Ein Mann kniete neben dem Gestürzten, hatte ihm
Jackett und Hemd geöffnet und legte seinen Kopf auf die nackte Brust des
Reglosen.
»Da ist nichts mehr zu machen«, hörte Sonja Rösch wie aus weiter
Ferne die Bemerkung des Helfers. »Herzschlag.«
●
Nur wenige Minuten später traf ein Krankenwagen ein, den ein
Passant telefonisch angefordert hatte. Ein Notarzt untersuchte den Toten an Ort
und Stelle. Der alte Mann wurde auf eine Trage gelegt, die in den Krankenwagen
geschoben wurde. Der völlig verstörte Pudel, noch an seiner Leine befestigt,
trottete näher und sprang in das Fahrzeug, ehe die Sanitäter die Tür schließen
konnten. Verängstigt verkroch das Tier sich in den äußersten Winkel und stemmte
sich mit allen vieren dagegen, von dort herausgezerrt zu werden. »Der Hund
gehört dem Mann«, rief jemand aus der Menge.
Da ließen die Sanitäter das Tier im Krankenwagen und fuhren los.
Sonja Rösch war wie betäubt, als sie die wenigen Schritte, die sie zu der
Stelle gelaufen war, wieder zurückging, um ihren Sohn auf seine seltsame Ahnung
anzusprechen. Die Frau blickte verwirrt über den freien Platz. »Hans-Peter? !« , fragte sie ängstlich. Von dem Jungen mit dem Rennrad war
weit und breit nichts zu sehen. Er war wie vom Erdboden verschluckt.
●
Die Frau, die Kommissar Merkert gegenübersaß, war eine Klasse für
sich - groß, blond, eine attraktive Erscheinung, wie man sie nicht jeden Tag
sah. Sie verstand, charmant zu plaudern und hatte, wenn sie deutsch sprach,
jenen Akzent in der Stimme, wie er nur bei Skandinaviern vorkam.
Die Frau war Skandinavierin. Genauer gesagt Schwedin. Es handelte
sich um Morna Ulbrandson alias X-GIRL-C. Die schwedische PSA-Agentin war vor
einer Stunde - von Düsseldorf kommend - in Wattenscheid eingetroffen. Morna
Ulbrandson hatte ihre Mission in Düsseldorf umgehend abgebrochen, nachdem
feststand, dass ein Witzbold Choppers Stimme über versteckte Lautsprecher in einige Hotelzimmer eingespielt und damit
die Gäste erschreckt hatte.
Bisher stand nicht fest, wer für diesen Spaß verantwortlich
war. Aber dies herauszufinden, war Sache der lokalen Polizei und fiel nicht
mehr in den Aufgabenbereich der international tätig werdenden
Psychoanalytischen Spezial-Abteilung. Nachdem die Schwedin über ihren
PSA-Sender durch X-RAY-1 erfahren hatte, welches Phänomen in Wattenscheid
aufgetreten war, hatte sie sich umgehend dorthin begeben. Sie wollte mehr
wissen über die wiederauferstandene Tote namens Lydia Prauner und über ein Mädchen, das Britta Leisner hieß und in der Graf-Adolf-Straße
wohnte. Nach einer ersten Kontaktaufnahme mit dem Mann, der Ermittlungen im
Fall Bertman und Lydia Prauner angestellt hatte, wollte Morna einen Abstecher
in die Graf-Adolf-Straße unternehmen, um mehr über jenes Mädchen in Erfahrung
zu bringen, dessen blutverschmierter Personalausweis einige tausend Meilen
entfernt im wahrsten Sinne des Wortes vom Himmel gefallen war.
Morna fuhr einen Opel Ascona einer großen Mietwagenfirma.
Kommissar Merkert war von höchster Dienststelle aus angewiesen worden, der
Schwedin Einblick in den gesamten Vorfall zu geben und jede Frage zu
beantworten. Sie sei eine Agentin der PSA und darauf spezialisiert,
außergewöhnliche Verbrechen aufzuklären. Merkert war mit Leib und Seele
Polizist und machte seine Arbeit gern.
So gern wie heute aber hatte er sie noch nie erledigt. Er stand
Rede und Antwort, erzählte alles, was über Lydia Prauner alias Suzette bekannt war, und begleitete die Schwedin dann in die
Graf-Adolf-Straße. Die Häuser dort stammten meistens noch aus der Zeit um die
Jahrhundertwende. Die Fassaden waren erst kürzlich renoviert und teilweise mit
neuen Fenstern versehen worden. Die Fenster waren ringsum verziert und die
meisten Häuser trugen am Giebel einen Hinweis auf ihr Baujahr. Britta Leisner
wohnte in einem Haus, das ein farbiges Wappen und die Jahreszahl 1892 aufwies.
Die Vermieter gaben bereitwillig Auskunft über das junge Mädchen,
als Merkert sich als Kriminalist auswies. Demnach war Britta Leisner noch nie
unangenehm aufgefallen. In der letzten
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