098 - Die Geistergirls von W
»Ich selbst habe im Moment
einige Tage Urlaub. Ich könnte dich sogar hinbringen und vorstellen .«
»Um welche Arbeit handelt es sich denn ?«
»Nichts Großes. Ich kenne da einen Mann. Der wohnt allein. Es geht
ihm gesundheitlich nicht besonders. Er sucht jemand, der täglich einige Stunden
seine Wohnung in Ordnung hält. Außerdem hat er 'ne Menge Papierkram zu erledigen.
Seine Bibliothek sieht immer aus, als hätte eine Bombe darin eingeschlagen .«
»Also sucht er so etwas wie 'ne Putzfrau und Hausmädchen in einer
Person?«
»Ja.«
»Nun, warum nicht. Hausarbeit ist zwar nicht gerade mein Fall ...
ich nehme an, ich muss auch kochen ?«
»Wäre zumindest wünschenswert. Der Mann, von dem ich spreche, ist
stark mit seiner Arbeit beschäftigt. Also fünf Stunden am Tag hättest du schon
zu tun .«
»Wäre gar nicht schlecht. Meinst du, die Stelle ist noch frei ?«
»Das lässt sich schnell herausfinden.
Ich weiß, wo's ist und könnte dich hinbegleiten. Stundenweise war ich auch
schon dort. Das Haus sieht fürchterlich aus. Es ist alt und außen meint man, dass es überhaupt nicht bewohnt ist. Und wenn du den Mann
siehst, denkst du, der ist überhaupt nicht in der Lage, dir 'nen anständigen
Stundenlohn zu bezahlen. Aber lass dich davon nicht
täuschen. Der Bursche schwimmt im Geld. Er ist ein typisches Beispiel dafür, dass man's zu etwas bringen kann, wenn man nur emsig genug
spart .« Britta Leisner lächelte der anderen freundlich
zu und hob dann ihr Glas. »Also - stoßen wir mit Milchshakes an, Gisela .«
»Vielleicht ein bisschen zu voreilig
wie? Wenn ich die Stelle nicht kriege ...«
»Kriegst du. Ich lege ein gutes Wort für dich ein .«
»Und wenn er schon jemand hat?«
»Dann fällt uns was ein, dass die andere
rausgeschmissen wird .« Gisela Haisen lachte darüber wie über einen gelungenen Witz und hob ebenfalls ihr Glas. Sie
stießen an. Da passiert es ...
Das halbvolle Milchglas in Britta Leisners Hand platzte. Die
Scherben schnitten tief in ihre Finger, und die weiße Flüssigkeit klatschte auf
die Tischdecke. » Au , verwünscht«, stieß Gisela Haisen hervor und starrte auf die Freundin.
»So heftig haben wir doch die Gläser nicht anklingen lassen.
Deines muss 'nen Sprung gehabt haben ... Hast du dich
verletzt ?« Die letzte Frage erübrigte sich in gewissem
Sinn. Die Splitter hingen noch jetzt in den Fingern und der Handfläche. Die
scharfen Kanten waren tief eingedrungen. Doch über die Lippen der Verletzten
kam nicht mal ein Schmerzenslaut. »Halb so schlimm. Das Glas muss wirklich einen Schaden gehabt haben ...«
Britta Leisner begann in aller Seelenruhe die Splitter aus der
Haut zu pflücken. »Du blutest ja gar nicht !« ,
wisperte Gisela Haisen verwundert. Kein einziger
Blutstropfen quoll aus den Schnittwunden. Dabei war ein Finger so tief
eingeschnitten, dass die Wunde auseinanderklaffte.
»Na, ist doch prima«, antwortete Britta Leisner lächelnd. »Dann
brauch ich auch nicht zum Arzt ...« Gisela Haisen fand es merkwürdig und hatte plötzlich ein ungutes Gefühl. Zu einer weiteren
Erwiderung kam sie jedoch nicht mehr, weil in diesem Moment die Bedienung
auftauchte, um die Scherben zu beseitigen und die Lache wegzuwischen. Wenige
Minuten später zahlten die beiden Mädchen ihre Drinks und verließen das Café.
Hans-Peter Rösch stützte sich auf sein Fahrrad und blickte ihnen
nach. Plötzlich erklang in ihm wieder die seltsame, fremdartige Melodie, und er
tat etwas, das ihm nicht bewusst wurde. Er rollte
langsam hinter den beiden Mädchen her, die über den großen Parkplatz gingen.
Zum gleichen Zeitpunkt verließ auch Sonja Rösch durch den Haupteingang wieder
das Kaufhaus, blickte sich suchend um und entdeckte ihren Jungen auf dem
Rennrad. Sie lief ihm entgegen. »So, jetzt können wir nach Hause gehen .«
Da schüttelte Hans-Peter den Kopf. »Siehst du die beiden Mädchen
dort, Mami ?«
Sonja Rösch blickte in die angedeutete Richtung. »Ja. Ist was mit
ihnen ?«
»Die eine wird noch heute sterben und die andere ist schon tot
...«
●
Hätte in ihrer unmittelbaren Nähe eine Explosion stattgefunden,
Sonja Rösch wäre nicht mehr zusammengefahren. »Junge - was sagst du da ?« , wisperte sie und bemühte sich, die Fassung zu bewahren.
»Warum sprichst du so etwas - Furchtbares ?«
Er nickte. »Ja, es ist furchtbar, ich weiß, aber es ist die
Wahrheit, Mami !« Sonja Rösch schluckte. Sie wollte
etwas hinzufügen, aber ihre Stimme versagte ihr den
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