0982 - Die Kinder der Zeitsäufer
Gesicht. »Ich fürchte, dafür reicht mein Spanisch nicht aus.«
Zamorra wandte sich Hernandez zu. »Können Sie das organisieren? Einen Dolmetscher und einen Wagen?«
Der Polizist schnappte nach Luft. »Warum sollte ich? Schließlich weiß ich nicht, welches Interesse Sie…«
»Die Anerkennung, wenn wir das Rätsel lösen, gehört natürlich alleine Ihnen!«
Hernandez atmete tief durch. »Na, von mir aus. Wenn es sein muss!«
***
Dylan fühlte sich so, wie der Wagen, an dem er lehnte, aussah: elend!
»Und was machen wir jetzt?«, fragte Rodrigo Santoa. In seinen schwarzen Augen leuchtete die Unternehmungslust. »Wir könnten sehen, ob wir in der Kirche jemanden antreffen. Wenn einer von dem Fluch weiß, dann ein Mann Gottes! Der ist bestimmt auskunftsfreudiger als die, die wir bisher gefragt haben, die waren ja wirklich verstockt. Aber sicher kann man sich da natürlich nicht sein, was den Priester angeht. Es gibt auch welche, die nicht so viel reden, kann ich Ihnen sagen. Ich kannte mal einen, der hat in seinen Predigten…«
»Rodrigo!«, unterbrach Dylan den Wortschwall. »Lassen Sie mich für einen Augenblick nachdenken.«
Santoa grinste. »Klar! Nachdenken ist eine gute Idee. Geben Sie einfach Bescheid, wenn Sie sich entschieden haben. Ich kann Ihnen beim Nachdenken gerne auch helfen. Bin nämlich ein echt guter Nachdenker, müssen Sie wissen. Meine madre - Gott hab sie selig! - hat immer gesagt, wenn die Menschen nur halb so viel nachdenken würden wie ich, dann wäre die Welt ein besserer Ort.«
Vor allem wäre sie ein besserer Ort , wenn du nur halb so viel reden würdest.
Die letzten Stunden waren nicht annähernd so ergiebig gewesen, wie der Schotte es sich gewünscht hatte. Ruben Hernandez hatte vom Krankenhaus aus ein paar Telefonate geführt.
»Ich habe einen Leihwagen und einen Dolmetscher organisiert«, hatte er schließlich mit einem zufriedenen Lächeln verkündet, das sich Dylan zunächst nicht zu erklären vermochte.
Das hatte sich inzwischen geändert!
Der Leihwagen hatte sich nämlich nur wenige Minuten später als ein blechernes Trauerspiel unidentifizierbaren Fabrikats erwiesen. Mit Rostlöchern so groß, dass man durch sie hätte ein- und aussteigen können. Die einzigen Federn, über die die Karre verfügte, waren die, die sich aus dem aufgeplatzten Sitzpolster in Dylans Allerwertesten bohrten. Und die Geräusche… ach was, Geräusche! Der Radau, den der Motor von sich gab, klang wie eine Symphonie für Presslufthammer in Krach-Moll!
Allerdings dröhnte er nicht laut genug, um das Dauergesabbel des Dolmetschers zu übertönen, der sich als quirliger Andalusier entpuppte, der deshalb so perfekt Englisch sprach, weil seine madre - Gott hab sie selig! - irischstämmig und der Ansicht gewesen war, es konnte nie schaden, eine Fremdsprache zu beherrschen, man wusste ja nie, wie man sie gebrauchen konnte, und wie sich nun herausstellte, hatte seine madre - Gott hab sie selig! -recht gehabt, schließlich hat sie immer zu ihm gesagt…
Und so weiter und so fort. Blablabla.
Ausgestattet mit einer Adressliste und einer skizzierten Wegbeschreibung nach Abruceta, die Hernandez noch besorgt hatte, waren sie losgetuckert.
Das Bergdorf lag neunzehn Kilometer von Granada entfernt. Mit einem vernünftigen Auto auf vernünftigen Straßen hätten sie die Strecke in zwanzig Minuten geschafft.
Tatsächlich brauchten sie über eine Stunde!
Eine Stunde, in der Dylan von seinem gesprächigen Dolmetscher Rodrigo Santoa erfuhr, dass die höchste Erhebung der Sierra Nevada der Mulhacén war, dass ihm der Pico del Veleta aber besser gefiel, dass seine madre ihn für den besten Sohn der Welt gehalten hatte, dass selbst Spanier mit dem andalusischen Dialekt ihre Probleme besaßen, dass er bei der Mountainbike-Weltmeisterschaft 2000 hatte mitmachen wollen, sein Rad aber zur Reparatur gewesen war, dass zum Pico del Veleta die höchstgelegene Landstraße Europas führte und ihn seine madre - Gott hab sie selig! - als Kind immer mit auf den Gipfel genommen hatte, dass die alpine Skiweltmeisterschaft in Pradollano wegen akuten Schneemangels von 1995 auf 1996 verschoben worden und seine madre überhaupt eine ganz tolle Frau gewesen war. Vermutlich nur übertroffen von ihrem viel tolleren Sohn.
Als sie Abruceta endlich erreichten, wusste Dylan nicht, wovon ihm die Ohren mehr klingelten: von dem Getöse des sogenannten Autos oder von dem seines Dolmetschers.
Der Schotte wünschte, die Dorfbewohner
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