0984 - Griff aus dem Dunkel
etwas im Dunkeln liegt, wird es irgendwann hervorkommen, sobald die Zeit dafür reif ist. Das denkst du doch auch - oder?«
»Ja, schon.«
»Gut, John. Deshalb bin ich der Meinung, daß dieser Astralleib oder auch Imelda selbst mehr kann, als nur einen Menschen zu berühren, ihn zu streicheln oder sexuell zu belästigen. Ich könnte mir vorstellen, daß er bei seinen Berührungen den anderen auch leiten kann. Du verstehst, was ich meine?«
»Noch nicht.«
»Das ist einfach, und ich weiß auch, daß du mich soeben angelogen hast. Wenn dieser Geist Johnny beeinflußt, fürchte ich mich davor, daß er meinen Sohn zu Handlungen oder Taten zwingt, die er selbst gar nicht durchführen will und nicht mal im Traum daran gedacht hat. Zu bösen und schlimmen Taten.« Sie senkte ihre Stimme. »Zu Untaten, gewissermaßen. Weißt du jetzt, was ich meine?«
»Sicher.«
»Du kannst dir also vorstellen, daß Johnny etwas tut, was ihm normalerweise nie in den Kopf gekommen wäre? Woran er nicht mal im Traum gedacht hätte?«
»Ja.«
»Sehr schön, John, sehr schön. Sollen wir dieses Netz noch weiter ausspinnen?«
Ich runzelte die Stirn. »Denkst du daran, daß Johnny einen anderem Menschen etwas antun könnte?«
Die Frage war ausgesprochen worden. Sheila hatte sie auch gehört, und sie starrte mich an. »Ja, daran denke ich, John«, hauchte sie. »Ich denke immer daran. Ich habe nur nicht gewagt, es auszusprechen.«
Was sie innerlich dachte, zeigte sich auch auf ihrem Gesicht, das einen sehr starren Ausdruck bekommen hatte. Sie konnte es nicht glauben, aber die Gedanken ließen sich auch nicht abwenden, und sie mußten einfach raus, sonst wurde Sheila noch von innen aufgefressen. »Ich kann mir denken, daß er etwas ganz Schlimmes tut«, flüsterte sie mit bebender Stimme. »Etwas Ungeheuerliches, an das wir nicht mal denken dürfen, aber nicht daran vorbeikommen. Durch Imeldas Einfluß könnte Johnny sogar zu einem Mörder werden…«
Jetzt war es heraus. Und Sheila fügte auch kein Wort mehr hinzu. Sie wäre beinahe schon an dem letzten erstickt und hatte dabei nur mühsam reden können. Ich sah die Tränen in ihren Augen. Der Gedanke, daß ihr Johnny jemanden töten konnte, ohne es selbst zu wollen, machte sie fast wahnsinnig.
Sie wollte von mir eine Antwort hören, und sie sah, wie ich langsam nickte.
»Also stimmst du mir zu?«
»Es könnte so ablaufen, muß es aber nicht.«
Sie grinste verzerrt. Wischte Tränenspuren aus ihren Augen. »Es könnte sein, aber ich will es nicht. Wir müssen etwas tun, auch wenn es nicht feststeht. Wir müssen ihn einfach fangen. Wir müssen ihn stellen wie einen Killer. Ist das klar?«
»Du brauchst mir nichts zu sagen.«
»Dann bin ich zufrieden«, flüsterte sie und senkte den Kopf. »Aber ich weiß nicht, wo und wann wir ihn stellen sollen. Tut mir leid, da habe ich keine Ahnung. Außerdem weiß ich nicht, wo er hingelaufen sein könnte.«
Ich hielt mich zurück.
Das paßte Sheila nicht. »Sag doch was, John!«
»Wenn Imelda ihn leitet, wird sie den Weg schon kennen.«
»Ja, das weiß ich selbst. Aber denkst du nicht auch, daß wir trotzdem versuchen sollten, ihn zu finden? Er ist mit dem Rad unterwegs. Wohin könnte er gefahren sein?«
Die Antwort wußte ich nicht, und ich stellte deshalb eine Frage. »Kennst du den Weg, den Johnny nimmt, wenn er im Kino war?«
»Nein. Darüber haben wir nie gesprochen.«
»Du weißt auch nicht, ob er und seine Freunde nach der Vorstellung noch irgendwo hingehen wollten?«
»Keine Ahnung, aber wenn, John, dann ist dieser Plan längst geplatzt. Er ist nicht mehr mit ihnen zusammen.«
»Du kennst die Eltern von Tim und Mike?«
»Ja.«
»Dann ruf sie an. Jetzt und hier. Ich möchte wissen, ob die beiden schon zu Haus eingetroffen sind.«
»Und was mache ich dann?«
»Ruf erst einmal an. Ich besorge dir ein Handy. Vorausgesetzt, du hast die Telefonnummern im Kopf. Und erkundige dich, ob die Eltern vielleicht wissen, welchen Weg ihre Söhne normalerweise vom Kino nach Hause nehmen.«
Sheila zeigte sich einverstanden. Ich ließ sie stehen und besorgte ihr ein Handy, das mir der Leiter der Mordkommission mit einem brummigen Kommentar überließ.
Sheila wollte nicht mehr stehenbleiben. Sie setzte sich in eine Reihe. Ich schaute zu, wie sie die Nummer eintippte, nervös mit den Beinen wackelte, und plötzlich eine gespannte Haltung einnahm, weil die Verbindung zustande gekommen war. Ich hörte sie sprechen und mußte sie auf der einen
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