0984 - Griff aus dem Dunkel
Seite bewundern, denn sie hatte ihre Stimme gut in der Gewalt und ließ sich von der Aufregung nichts anmerken: Mit welchen Eltern sie sprach, wußte ich nicht, mir kam es auch mehr auf das Ergebnis an, das hoffentlich auch eintreten würde.
Ich stand wie auf heißen Kohlen. Der Tote wurde inzwischen abtransportiert, aber die Kollegen blieben noch im Waschraum, worüber ich froh war.
Sheila stand auf.
Ich beobachtete sie noch immer. Sie wirkte in ihren Bewegungen sehr langsam und auch nachdenklich. Als sie zu mir kam, hob sie die Schultern.
»Schlechte Nachrichten?«
»Das weiß ich nicht genau. Jedenfalls ist Tim noch nicht Zuhause. Wir können davon ausgehen, daß es bei Mike auch der Fall ist.« Sie räusperte sich. »Ich wollte mich damit aber nicht zufriedengeben, wenn du verstehst, John. Da habe ich nachgefragt. Ich wollte wissen, ob Carol weiß, welchen Weg die Jungen nehmen. Hätte ja sein können, daß sie mehr weiß als ich.«
»Und? War es so?«
»Irgendwie schon«, sagte sie leise und mit bebender Stimme. »Tim hat seiner Mutter mal erzählt, daß sie hin und wieder in der Nacht am alten Friedhof vorbeifahren. Früher war es so etwas wie eine Mutprobe gewesen.«
»Auch jetzt noch? Heute, meine ich?«
»Da habe ich keine Ahnung.«
Ich bin kein Hellseher, beileibe nicht, aber ich spürte, wie sich in meinem Innern etwas zusammenzog. Ich glaubte plötzlich, eine Spur zu haben.
Friedhof!
Ein Weg, der daran vorbeiführte? Paßte das in das Bild? Das Gräberfeld war eine unheimliche Stätte. Mir war auch bekannt, daß finstere Gestalten so etwas ausnutzten. Nachts trieb sich kaum jemand auf einem Friedhof herum, abgesehen von gewissen Grufties, die irgendwelche Parties feierten, die aber nahmen sich in der letzten Zeit immer mehr die Friedhöfe auf dem Land vor.
»Was ist, John?«
Ich hob die Schulter. »Im Prinzip nicht viel, aber mich hat der Begriff Friedhof schon alarmiert.«
»Ja, mich auch.«
»Du weißt, welcher gemeint ist?«
»Natürlich.«
»Ich bringe nur das Handy zurück, dann machen wir uns auf den Weg.«
Ich wollte gehen, aber Sheila hielt mich zurück. »Moment, so einfach ist das nicht. Sie nahmen eine Abkürzung. Da kommen wir mit dem Wagen nicht durch und…«
»Aber zu Fuß - oder?« fragte ich und grinste dabei.
»Das schon.«
»Warte hier, Sheila. Ich bin gleich wieder da…«
***
Nur langsam gewöhnten sich Johnnys Augen an die herrschende Finsternis. Er wußte, daß dieses Haus eine Leichen-oder Trauerhalle war, aber er sah keine Särge. Er sah deshalb auch keine Toten. Beide wurden, wenn überhaupt, im anderen Teil des Hauses aufbewahrt.
Dieser Raum hier roch nach Erde, nach feuchtem Lehm, obwohl der Boden nicht umgegraben war. Der Geruch ging dabei von anderen Dingen aus, die sich in diesem dachschiefen Anbau befanden.
Der Totengräber oder Gärtner hatte hier sein Basislager errichtet. Es standen die Geräte herum. Schaufeln, Spaten und auch Spitzhacken. An ihrem Metall klebten Erdklumpen, die intensiv rochen.
Johnny hatte hinter der Tür angehalten. Er bewegte sich nicht. Er wartete.
Nichts war zu hören. Nur auf seinen eigenen Atem konnte er sich konzentrieren, ansonsten war es totenstill in seiner Umgebung, und das paßte auch.
Er ließ seine rechte Hand in die Hosentasche rutschen. Zwar gehörte Johnny nicht zu den jugendlichen Rauchern, aber ein Feuerzeug trug er immer bei sich.
Er schnippte es an.
Die kleine Flamme tanzte. Schatten huschten über den Boden. Das Licht reichte aus, um gewisse Dinge erkennen zu können. So sah Johnny nicht nur die abgestellten Werkzeuge des Totengräbers oder Gärtners, er entdeckte noch mehr, denn links von ihm standen die Eimer und Töpfe mit Blumenerde. Auch eine Bank mit Pflanzen war in diesen Raum geschafft worden.
Zwei alte Kränze sah er ebenfalls, sie lagen übereinander. Die Schleifen hingen noch dran. Sie sahen ziemlich verwittert aus.
Er leuchtete weiter, entdeckte zwei kleine Fenster. Sie sahen grau und schmutzig aus. An ihnen ging Johnny vorbei. Er näherte sich einem schmalen Tisch. Zwei Stühle standen dicht bei ihm, und auf dem Tisch hatte noch eine Kaffeekanne ihren Platz gefunden.
Johnny löschte die Flamme, dann ließ er sich auf einem der Stühle nieder wie jemand, der auf etwas Bestimmtes wartet.
Johnny wußte nicht, auf was er wartete. Er hockte einfach nur da und starrte ins Leere. Er sah die Tür, hätte jetzt aufstehen und hinausgehen können.
Aber er blieb sitzen.
Da war etwas, das er
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