0984 - Griff aus dem Dunkel
verdrehten Augen starrte er zum Himmel, als könnte er dort eine Antwort erfahren.
Aber der Himmel schwieg. Nur Mike lachte scharf auf. »Würdest du so einfach auf einen Friedhof gehen? Aus dem Kino rennen, während des Films? Dich auf dein Rad setzen und…?«
»Nein!«
»Ich auch nicht.«
»Und warum hat es Johnny getan?« fragte Tim.
»Um das zu erfahren, müßtest du schon auf den Friedhof gehen und ihn suchen.«
»Jetzt? Um die Zeit?«
»Morgen nicht.«
»Das ist…«
»Hast du Angst?« fragte Mike. Seine Stimme hatte höhnisch klingen sollen, der Tonfall aber war ihm nicht so recht gelungen, denn auch Mike fühlte sich miserabel.
»Ja, ich habe Schiß.«
»Johnny aber nicht.«
Tim holte tief Luft. »Okay, das Rad steht an der Mauer. Aber beweist es uns, daß sich Johnny wirklich auf dem Friedhof aufhält?«
»Wo soll er sonst sein?«
»Vielleicht ist er zu Fuß nach Hause gelaufen, weil was mit seinem Rad war.«
»Ausrede.«
»Soll ich nachschauen?«
Mike lachte girrend. Beinahe wie ein Mädchen. »Nein, nicht am Rad, aber wir könnten auf den Friedhof gehen und nach ihm suchen oder auch nach ihm rufen.«
Tim hatte den Vorschlag nicht überhört. Er sagte nur nichts, dafür bekam er eine Gänsehaut. Seine Hände umklammerten die beiden Griffe, als wären sie Rettungsanker.
Mike gab sich sicherer, als er sich tatsächlich fühlte. »Ich bin dafür, daß wir auf dem Friedhof nachschauen.« Er knuffte seinen Freund an. »He, was ist mit dir?«
Tim sah sich in die Ecke gedrängt. Wohl war ihm nicht - nur, was sollte er tun? Als Feigling dastehen wollte er auch nicht. Da hätte Mike nicht den Mund gehalten und es den anderen Freunden erzählt.
»Okay, dann schauen wir nach.«
»Prima, ich wußte doch, daß ich mich auf dich verlassen kann.« Mike lachte. Es klang nicht echt. Eher wie ein Lachen, das Mut machen sollte…
***
Sheila Conolly war nervös. Sehr nervös sogar. Sie konnte sich nicht daran erinnern, in letzter Zeit dermaßen unter Druck gestanden zu haben. Hier ging es auch nicht um sie, sondern um ihren Sohn, der so plötzlich verschwunden war, so grundlos für einen Außenstehenden, aber Sheila stand nicht außen vor. Zudem hatte sie selbst Erlebnisse gehabt, die nicht in den Rahmen des Normalen paßten, und sie ging davon aus, daß Johnnys Verschwinden und ihre Erlebnisse in einem Zusammenhang standen, in dem auch der sich entfernt aufhaltende Bill eine große Rolle spielte.
John Sinclair wollte die Ankunft der Mordkommission abwarten, um den Kollegen einige Informationen zu geben. So war Sheila allein losgegangen, um wenigstens nach Johnnys Rad zu schauen. Sie wußte, wo die Besucher ihre fahrbaren Untersätze abstellten.
Die Menschen hatten sich bereits verlaufen. So war es vor dem Kino ziemlich leer. Einige Jugendliche standen noch in Gruppen zusammen und diskutierten über den Film.
Sheila hörte ihre Stimmen zwar, achtete aber nicht auf die Worte, denn ihr Ziel lag woanders. Sie bewegte sich mit sehr langsamen Schritten.
Sie schaute sich auch öfter mal um als normal, denn irgendwo hatte sie noch die Hoffnung, ihren Sohn zu finden. Die Dunkelheit machte ihr einen Strich durch die Rechnung, und auch weiter vorn, wo die Straße herlief und es heller war, hielt sich niemand auf, der Ähnlichkeit mit Johnny gehabt hätte.
Dafür hörte sie in der Ferne das Wimmern der Sirenen. Die Mordkommission war schon auf dem Weg. Noch bevor die Fahrzeuge am Kino stoppten, hatte Sheila den Ort erreicht, wo die Räder abgestellt wurden.
Leer war er nicht. Eine Handvoll Fahrräder waren da noch abgestellt worden, aber keines davon gehörte ihrem Sohn Johnny. Sie alle wurden von anderen jungen Leuten abgeholt. Sheila trat zur Seite und blieb dort stehen, wo sie nicht störte. Sie war sehr nachdenklich geworden und spürte die Angst wie einen beklemmenden Mantel, der sie umgab.
Sheila war im Hintergrund zu einer Schattengestalt geworden, von den Abholern der Räder nicht beachtet. Die Hände hatte sie in die Taschen des leichten Mantels geschoben. Ihre Finger waren kalt geworden. Diese Kälte spürte sie auch innerlich, und die Finger kamen ihr vor, als wären sie schon abgestorben.
Es war für sie schlimm. Sie kämpfte abermals gegen einen Feind, den sie nicht sah. Der es auf telepathischem Wege verstand, mit ihr Kontakt aufzunehmen, und so etwas Ähnliches hatte sie hinter sich. Da war es der Killer im Kopf gewesen, der sie so grausam malträtiert hatte. Diese Zeiten wünschte Sheila
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