0984 - Griff aus dem Dunkel
ihrem ärgsten Feind nicht. Da hatte sie Furchtbares durchlitten, doch die Gegenwart und auch die Zukunft deuteten darauf hin, daß ihr ähnliche Dinge bevorstanden.
In den Taschen bewegte sie die Finger. So kalt waren sie. Wie bei einer Toten.
Bei diesem Vergleich schauderte die Frau. Sie konnte nur hoffen, daß Johnny nichts geschehen war, daß er noch lebte, nicht verletzt und erst recht nicht tot war.
In der letzten Zeit war es relativ ruhig um ihn herum gewesen. Er hatte ein normales Leben führen können, wie viele seiner Freunde auch. Aber der Druck und die Bedrohung lauerten immer wieder versteckt im Hintergrund, gerade weil die Conollys schon seit Jahren in die Strudel der schrecklichen Ereignisse mit hineingezogen worden waren, was auch an ihrem Freund John Sinclair lag.
Sie wünschte sich an Johnnys Stelle. Sie wünschte sich auch den Kontakt mit dem anderen Wesen zurück. Sie wollte dabei an Johnnys Stelle treten. Aber das geschah nicht. So schnell ließen sich keine Wünsche erfüllen.
Deshalb wartete sie. Schaute zu, wie die Räder abgeholt wurden.
Schließlich war der Platz leer. Sheila stand noch immer auf dem Fleck.
Die Sirenen erschreckten sie nicht. Sie wußte, daß die Mordkommission eintraf. John Sinclair würde mit den Leuten reden, aber es würde nichts bringen. Johnny konnte durch die Beamten der Mordkommission nicht geholfen werden, das stand fest.
Sheila schmeckte Galle in ihrer Kehle. Mit langsamen Schritten ging sie den Platz ab, auf dem die Räder gestanden hatten.
Nichts war mehr zu sehen.
Eine nächtliche Leere. Ebenso leer, wie sich Sheila fühlte. Das andere Wesen dachte gar nicht daran, den Kontakt mit ihr zu erneuern. Wie sehr hatte sie sich angewidert gefühlt, als unsichtbare, fremde Hände sie berührt hatten! Jetzt wünschte sich Sheila diese Hände zurück. Dann hätten sie wenigstens nicht Johnny berührt.
Es hatte keinen Sinn, noch länger an diesem Ort zu bleiben. Das sagte sich Sheila. Deshalb machte sie sich wieder auf den Rückweg. Die Umgebung war nicht still. Sie horte die Stimmen der Männer, die zur Mordkommission gehörten. Sie sah die rotierenden Lichter auf den Dächern. Lange Streifen fraßen sich durch die Dunkelheit und machten sie zu einer unheimlichen Kulisse.
Sheila betrat das Foyer des Kinos. Der Weg in den Zuschauerraum war zwar nicht abgesperrt worden, aber ein junger Mann in Uniform hielt sich dort auf und bedeutete Sheila, daß es für sie keinen Eintritt gab.
»Ich muß mit Mr. Sinclair sprechen.«
»Es gibt bei uns keinen Sinclair.«
»Er ist ein Kollege und hat Sie alarmiert.«
»Sorry, aber…«
»Meine Güte, stellen Sie sich nicht so an!« Mit Sheilas Beherrschung war es vorbei. Sie hatte den Polizisten angeschrien, und der junge Mann war zusammengezuckt. Aber er hielt Sheila trotzdem fest, als diese sich an ihm vorbeidrängen wollte.
Mit einer heftigen Bewegung riß sich die Frau los. Sie funkelte den Polizisten dabei an, der sich unter dem Blick regelrecht duckte, von ihr noch eine Stoß bekam und zwei Schritte nach hinten taumelte.
Dann war Sheila vorbei. Mit schnellen Schritten brachte sie genügend Distanz zwischen sich und den Polizisten und wurde von ihm erst eingeholt, als sie bereits den Zuschauerraum durchquerte. Sie war bereit, für ihre Sache zu kämpfen. Sie mußte einfach Dampf ablassen.
Zum Glück kam es nicht soweit, denn John tauchte auf. Ziemlich nachdenklich wirkte er.
»John!«
Ich hörte den Ruf und hob den Kopf. Sah Sheila, die auf mich zueilte, aber auch den jungen Beamten, der sie stoppen wollte und bereits die Hand nach ihr ausgestreckt hatte.
Mit drei langen Schritten hatte ich Sheila erreicht. Der Kollege wollte etwas sagen, als ich ihm zuvorkam.
»Das ist meine Sache!«
»Aber…«
»Keine Widerrede! Gehen Sie wieder auf Ihren Platz.« Ich konnte mir denken, was geschehen war, und der Polizist trollte sich. So war ich mit Sheila allein, die an der Wand lehnte, heftig atmete und dabei fahrig über ihr Haar strich.
»Bist du einigermaßen okay?«
Sie lächelte schmerzlich. »Nicht mal einigermaßen, John.«
»Was ist passiert?«
»Ich mußte es wissen, John. Ich mußte es einfach wissen, und ich habe es gesehen. Johnnys Rad steht nicht mehr dort. Er ist weggefahren.«
»Ja, das dachte ich mir.«
Sie schaute mich für einen Moment starr an. »Aber wohin, John? Wohin ist er gefahren?«
Ich schwieg.
So redete Sheila weiter. »Ich glaube nicht, daß wir ihn zu Hause finden können. Der Tote
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