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0985 - Libertys Tränen

0985 - Libertys Tränen

Titel: 0985 - Libertys Tränen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Borner
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nahezu komplett von der großen, in Edelholz gehaltenen Theke dominiert. Den Rest des Lokals prägten die etwa vierzig Tische, allesamt äußerst geschmackvoll gedeckt und mit gepolsterten Lederstühlen versehen. In der Luft lag ein Geruch von Dill, Zitrone, Knoblauch und frischem Fisch.
    Und an den Tischen…
    Zamorra hörte, wie Amy zu würgen begann. Zwanzig Personen überwiegend älteren Semesters saßen oder lagen an den besetzten Tischen - allesamt im Zustand grauenvollster Verstümmelung. Er sah aufgeschlitzte Hälse, skalpierte Schädel, blutüberströmte Körper. Ein dicker Mann im Livree eines Angestellten hing reglos über der Theke, die Arme nach einem offenbar zu Boden gefallenen Kurzlaufgewehr ausgestreckt. In seinem Rücken steckte eine Wurfaxt. Die Verursacher dieses Grauens konnte der Dämonenjäger allerdings nirgends sehen.
    »Professor?«, sagte Andy leise. »Was tun wir?«
    Zamorra umfasste das warm gewordene Amulett an seiner Brust. Er wollte gerade zu einer Antwort ansetzen, als Amy gellend aufschrie! Sofort wirbelte er herum.
    Eine Frau von vielleicht fünfzig Jahren war von einem der vorderen Tische aufgesprungen. Ihr arg überschminktes Gesicht war eine Maske aus Blut und Entsetzen, in ihrem mit kostbarem Schmuck behangenem Hals klaffte eine entsetzliche Wunde. Roter Lebenssaft pulsierte heraus und spritzte auf ihr Abendkleid und den Fußboden. Ihr Skalp hing ihr rückwärts vom Kopf wie ein nicht gänzlich abgezogenes Riesenpflaster. Sie war auf Amy zugestürzt und klammerte sich nun an die junge Beamtin wie eine Ertrinkende an einen Rettungsring. Ihr Mund öffnete und schloss sich, doch statt Worten drang nur Gurgeln daraus hervor - und Unmengen an Blut, die, mit Speichel vermischt, der kreidebleichen Amy auf Gesicht und Oberkörper spritzten.
    Dann - das grauenvolle Spektakel hatte kaum mehr als zwei Sekundenbruchteile gedauert - brach die massakrierte Fremde zusammen. Stumm und reglos blieb sie am Boden liegen.
    »Alles in Ordnung?«, fragte Zamorra Amy und sprang gleichzeitig zu der Verletzten. Sie war tot, wie er feststellen musste.
    Amy nickte tapfer. Ihr flackernder Blick sprach jedoch Bände.
    »Warum gehen Sie nicht raus und rufen die Sanitäter?«, schlug Andy ihr sanft vor. »Der Professor und ich kümmern uns hier drin um den Rest.«
    Zögernd, aber spürbar erleichtert ließ Amy sich von ihm zum Ausgang drängen. Sie wimmerte leise, als sie über die ermordete Wirtin stieg - die sie plötzlich am Fußgelenk packte!
    Auf einmal geschah alles rasend schnell. Zamorra spürte, wie Merlins Stern zum Leben erwachte; keinen Augenblick später befand er sich inmitten des vom Amulett erschaffenen wabernden Schutzschilds. Blitze peitschten durch den Raum, haardünn und messerscharf. Beißender Ozongestank mischte sich in die Luft. Andy schrie auf, riss die Glock herum und ballerte, was das Magazin hergab, auf die untote Dougal. Amy presste sich derweil mit schockgeweiteten Augen und kreidebleichem Gesicht an die Hauswand, unfähig sich aus der Umklammerung des lebenden Leichnams zu befreien.
    Zamorra trat schon näher, um zu helfen, als auf einmal drei weitere der niedergemetzelten Gäste von ihren Plätzen auf sprangen und mit wahnwitziger Geschwindigkeit auf ihn zu rannten. Ihre Augen waren leer, ihre Mienen ausdruckslos. Bei einem konnte Zamorra schon den weißen Knochen der Schädeldecke unter all dem Blut erkennen - der Anblick ließ ihm kurz übel werden. Das Amulett schützte ihn natürlich vor der Attacke der Wesen, doch kostete der irrsinnige Angriff den Dämonenjäger wertvolle Zeit und Energie.
    Zeit, die Andy und Amy fehlte. Schon hatten sich zwei weitere der Toten an den jungen Sergeant herangemacht. Andy schlug mit dem freien Arm um sich, um die eiskalten Feinde abzuwehren, doch sein Blick und der Lauf seiner Waffe wichen nie von der Wirtin, die seine Kollegin bedrängte. Amy schien ihm wichtiger als sein eigenes Wohlergehen.
    Und Amy schien den ärgsten Schrecken überwunden zu haben. Sie zückte ihre eigene Waffe und zielte auf die Angreifer ihres Kollegen. Die Zombies zuckten und torkelten, als ihre Kugeln sie trafen. Dann hallte plötzlich ein reißendes Geräusch durch den Raum. Zamorra brauchte einen Moment, bis er die Quelle begriff: Amy hatte Ellies Hand vom Arm gezerrt - offenbar hatte Andys Dauerbeschuss das Handgelenk der Untoten regelrecht perforiert.
    »Professor«, schrie die junge Frau, als sie - endlich frei - zurück in den Gastraum hechtete. »Hinter

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