0985 - Luzifers Gesandte
Visier verschwammen die Züge zu einem düsteren Brei.
Mit der linken Hand gab der andere Lisa ein Zeichen. Er bewegte nur den Zeigefinger, und die Frau verstand. Sie wollte auf den Unheimlichen zugehen, in seine Nähe gelangen - um aus dieser Entfernung erschossen zu werden?
Lisa tat es. Nichts anderes blieb ihr übrig. Sie mußte sich fügen.
Vielleicht gab es noch eine Chance für sie, so recht daran glauben konnte sie nicht.
Ihre Beine waren schwer geworden, nur mühsam konnte sie sich noch bewegen. Puppenhaft wirkte sie. Zu keinen lockeren Bewegungen mehr fähig, wie eine mechanische Puppe, deren Glieder nicht geölt waren. Sie nahm den Geruch der Gestalt wahr, die nach Garten roch, vielleicht nach Erde oder Lehm. Sie wußte es nicht genau und ging an ihm vorbei.
Der Nacken war ebenfalls steif geworden. Die Gänsehaut lag dort wie aufgebügelt. Sie rechnete damit, daß der andere die Waffe anheben würde, um ihr eine Kugel in den Kopf zu schießen, doch dieser Kelch, ging an ihr vorbei.
Lisa passierte den lebenden Schatten. Vor ihr lag das Wohnzimmer. Sie kannte jedes Teil, das dort stand, jede Falte in der Couch, jeden Fleck auf dem Teppichboden, aber jetzt, als sie den Raum betrat, da kam er ihr so fremd und kalt vor.
Wie eine Leichenhalle!
Es war die Kälte in ihrem Innern, die sie so denken ließ. Lisa fürchtete sich schrecklich. Ihre Haut schien die doppelte Dicke erreicht zu haben.
Lisa merkte, daß sie zitterte, aber dieses Zittern blieb in ihrem Innern.
Gesprochen hatte der Eindringling kein Wort. Auch jetzt redete er nicht, als er Lisa in den Wohnraum folgte. Er blieb ihr immer dicht auf den Fersen.
Lisa ging einfach weiter. Sie würde vor dem Fenster landen und erst dort stehenbleiben, wenn alles so weiterging.
Nein, es veränderte sich, denn der Eindringling machte einen großen Schritt nach vorn und stand dann so dicht hinter ihr, daß er sie mit der Hand berühren konnte. Er legte die Linke auf ihre Schulter. Lisa verstand das Zeichen. Sie blieb stehen.
Auf ihren Wangen lagen zwei kalte Punkte. Sie fragte sich, ob Tränen zu Eisperlen werden und festkleben konnten. So jedenfalls kam es Lisa in diesen Augenblicken vor.
Die Zeit dehnte sich. Sekunden wurden zu Minuten. Die Angst hielt jeden Nerv umklammert. Sie dachte auch an ihre Familie, und in ihrer Phantasie erschienen die Gesichter ihres Mannes und auch die ihrer Kinder. Sie sorgte sich um sie. Die Angst um sie ließ ihre eigene vergessen, dann aber bewegte sich der Mann mit dem Helm und trat neben sie. Das Licht war nicht grell, denn nicht alle Lampen gaben Helligkeit ab. Auf dem Helm schimmerten Reflexe, auch auf dem Sichtschutz, aber es gelang Lisa nicht, dahinter zu schauen. Was da lag, blieb ihr fremd und war so unheimlich.
Die lange Mündung wies noch immer auf sie. Lisa traute sich keine Bewegung zu. Sie wollte nichts falsch machen und den anderen dadurch provozieren. Er würde zu einem Abschluß kommen wollen und müssen, das stand für Lisa fest, deren Blick einfach nur ins Leere glitt.
Sie schaffte es, die Nähe des anderen aus ihrem Gedankenkreis zu verdrängen. Statt dessen fragte sie sich: Warum schreie ich nicht?
Warum rufe ich nicht um Hilfe? Warum nicht nach meinen Mann, der mich immer beschützt hat? Warum stehe ich nur hier…?
Sie schrak zusammen, denn der andere hatte sie angefaßt. Zwar trug er Handschuhe, aber Lisa hatte den Eindruck, von einer Totenhand berührt zu werden, deren Kälte durch ihre Kleidung drang und sich auf der Haut niederlegte.
Diese erste Berührung hatte Lisa erschreckt. Sie wußte allerdings auch, daß es so etwas wie ein Zeichen war. Eine Änderung ihres Verhaltens.
Sie hatte den Blick gesenkt. Dabei schaute sie zu, wie sich die Finger des Unheimlichen um ihren Arm schlossen, als wollten sie ihn brutal zerquetschen.
Lisa mußte dem Druck folgen. Als sie in die Knie ging, drang ein leiser Wehlaut über ihre Lippen. Der andere drückte sie tiefer, bis sie tatsächlich vor ihm auf dem Boden kniete und die Tränen nicht mehr zurückhalten konnte.
Sie hörte sich schluchzen. Die Angst war gewaltig. Trotzdem drehte Lisa den Kopf.
Der Unheimliche hatte seinen rechten Arm und damit auch die Waffe gesenkt.
Lisa sah die Mündung. Riesengroß kam sie ihm vor. Mehr nahm sie nicht mehr wahr.
Der andere drückte zweimal ab.
Lisa sank zu Boden.
Blut sickerte aus zwei Wunden und benetzte den hellen Teppich. Die Frau war zweimal in den Kopf getroffen worden, der einen schrecklichen Anblick
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