099 - Der steinerne Gott
er erforderlich?"
„Nun" - sein Doppelgänger schürzte die Lippen -, „hast du nicht gespürt, wie ein Kräfteaustausch zwischen uns stattgefunden hat?"
„Und - was bedeutet das?"
Der Doppelgänger lächelte wieder. „Der Kräfteaustausch war nötig, damit ich dein Leben weiterführen kann. Jemand muß dich im Leben doch vertreten, da du ja abwesend bist."
„Das… "
Dorian verstummte. Er erinnerte sich plötzlich wieder der seltsamen Telefonanrufe, die seine Freunde angeblich von ihm erhalten hatten.
„Du warst es also, der Tim Morton in New York angerufen hat", sagte Dorian anklagend. „Und du hast auch in Basajaun angerufen - und in der Londoner Jugendstilvilla mit mir selbst telefoniert. Du wolltest mich verrückt machen."
„Irrtum", sagte sein Gegenüber. „Für solche Kindereien bin ich nicht da. Du selbst wirst diese Anrufe machen und mit dir selbst sprechen."
Aber - das ist doch alles schon passiert, wollte Dorian sagen, doch er schwieg. Der andere - ein magisches Spiegelbild - wollte nur in Hermons Auftrag die Belastbarkeit seines Geistes prüfen.
Oder träumte er das alles nur?
Der andere Dorian drehte sich um und entfernte sich.
„Warte!" Der Dämonenkiller rannte gegen die unsichtbare Barriere an und wurde zurückgeschleudert. „Warte! Ich will wissen, was das zu bedeuten hat!"
Aber der andere ging weiter.
Dorian hämmerte wie wild auf die transparente Barriere ein.
Plötzlich entstand ein klirrendes Geräusch, und der Doppelgänger zersplitterte in tausend Stücke. Also doch ein Spiegel, dachte Dorian.
Nein, ein Alptraum. Denn die Trümmer des Spiegels strebten wie der zueinander - wie die Teile eines Puzzles - und nahmen Gestalt an.
Dorian sah sich selbst - oder seinen Doppelgänger oder sein Spiegelbild oder seine Traumexistenz - in fremder Umgebung. In einer verlassenen Gegend. In einem einsamen verschneiten Tal.
„Wie oft soll ich dir noch sagen, daß ich nicht gekommen bin, um dich zurückzuholen, Don", sagte Coco.
Sie saßen in der Wohnstube beisammen. Ein primitiver Lehmofen spendete behagliche Wärme.
Coco hatte sich etwas zum Essen gemacht. Es roch noch nach Kaffee und Schinkeneiern.
Draußen schneite es leicht. Es hatte die ganze Nacht über geschneit, und Coco hatte kein Auge zugetan. Alles war ihr so trist erschienen.
Der Freude über das Wiedersehen mit Don war bald die Ernüchterung gefolgt.
„Sage mir lieber, was du hier zu suchen hast", hatte Don zur Begrüßung gesagt und dann erklärt: „Damals, als ich von einem Koloß wieder zu einem Zwerg schrumpfte, habe ich mich absichtlich mit Dula versteckt. Ich habe gesehen, wie ihr mich suchtet, habe eure Rufe gehört, aber ich wollte nicht nach Basajaun zurück. Die Welt von euch Riesen ist mir verhaßt. Ich gehöre zu Dula. An ihrer Seite bin ich glücklich. Und dieses Stück Island ist meine Welt."
Coco konnte den Puppenmann nur zu gut verstehen. „Ich bin nicht wegen dir hier, Don."
Dula hatte sie wütend angefunkelt.
„Ich weiß schon", hatte sie gesagt, und ihre Katzenaugen hatten geglüht. „Das hier ist Magnus Gunnarssons Anwesen, und ihr - die ganze Dämonen-Killerclique - seid nicht gerade gut auf den Isländer zu sprechen. Aber das geht uns nichts an. Don und ich wollen nichts damit zu tun haben. Gunnarsson akzeptiert unsere Einstellung. Obwohl Don es ausschließlich ihm zu verdanken hat, daß er wieder seine ursprüngliche Größe zurückerhielt, stellt Gunnarsson keine Bedingungen an uns. Er hat nie versucht, uns für seine Zwecke einzuspannen."
„Das will niemand", hatte Coco entgegnet. „Auch ich nicht. Mein Hiersein hat einen ganz anderen Grund."
„Du hättest Dula ausreden lassen sollen", hatte Don gesagt. „Sie wollte dir nur sagen, daß du auch mit uns rechnen mußt, wenn du gegen Gunnarsson etwas im Schilde führst."
Coco hatte geseufzt und erklärt: „Ich will mich hier mit Dorian treffen. Nur aus diesem Grund bin ich gekommen."
Don und Dula schienen nicht davon erbaut zu sein, daß auch Dorian hier eintreffen würde. Wenigstens hatten sie Coco aber im Haus übernachten lassen.
Obwohl das Bett weich und warm war, hatte Coco nicht schlafen können. Es waren nicht nur ihre quälenden Gedanken, die sie am Einschlafen hinderten, sondern auch die seltsamen Geräusche, die das Haus erfüllten. Immer rumorte es irgendwo.
Don erklärte ihr beim Frühstück, wieso das so war.
„Das ganze Haus wird mit dem Wasser eines nahen Geysirs geheizt. Die Leitungsrohre durchziehen das
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