0991 - Die letzte Horde
zu nennen, den er abgelegt hatte.
„Das Buch Merison", sagte Rubin, und auch das Leuchten in seinen Augen wirkte wie eingefroren. „Es beginnt, Wahrheit zu werden. Die Glücksbringer folgten ihrem Ruf."
Etwas in Larsa verkrampfte sich. Nur das nicht! betete sie inbrünstig.
„Sie haben eine Substanz gefunden, die der Formgebung und der Einigung bedarf?"
„Nicht der Formung", antwortete Rubin mit der Stimme eines Predigers. „Die Substanz besteht aus geformten Individuen. Aber sie haben den Weg zur Einigung verfehlt. Die Glücksbringer werden ihnen helfen."
Larsas Verstand arbeitete auf vollen Touren. Sie mußte aus dem verwirrten Bewußtsein des Jungen soviel Informationen herausholen wie nur irgend möglich. Er dachte nicht mehr wie ein Mensch. Er stand voll und ganz unter dem Einfluß der Kristallintelligenz.
„Wann fand der erste Kontakt statt?"
„Vor wenigen Stunden, wie ihr sagt."
Larsa war verblüfft.
„Vor wenigen Stunden? Wie kommst du so schnell hierher? Du hast kein Fahrzeug ..."
„Der Zustand der Einigung beseelt das geeinigte Wesen mit Kräften, die Raum und Zeit bedeutungslos werden lassen", belehrte sie Rubin lächelnd.
„Welches ist Njasis Botschaft?"
„Ich habe sie bereits verkündet", strahlte der Junge’. „Das Buch Merison wird Wahrheit. Njasi strebt den nächsthöheren Zustand der Vollkommenheit an."
Mit diesen Worten wandte er sich um und schritt auf die Tür zu.
„Halt, du bleibst hier!" rief Grador Shako ärgerlich. „Du wirst uns erklären, was dieser Unsinn ..."
Rubin schritt durch die Tür, als habe er Grador nicht gehört.
„Laß ihn in Ruhe!" sagte Larsa.
Aber wenn Grador zornig war, ließ sich schwer mit ihm reden. Er schoß hinter dem Jungen her und verschwand draußen im Gang. Larsa hörte einen merkwürdigen Laut. Sekunden später kehrte Grador zurück. Er war aschfahl und bewegte sich mit unsicherem Gang. Seine Hände zitterten.
„Er ist verschwunden ... einfach verschwunden", stammelte er.
*
„Ich nehme an, du wirst uns erklären, was das Gefasel zu bedeuten hat", sagte Valba ungeduldig.
„Sofort", wehrte Larsa ab. „Zuerst gibt es Wichtigeres zu tun. Grador, laß ein paar Dutzend Sonden ausfahren. Sie sollen die westlich gelegenen Täler nach Infrarotabdrükken, Streuenergieresten und den üblichen Parametern absuchen, beginnend mit dem am weitesten im Westen gelegenen Tal. Ich will wissen, ob Amtraniks Horde sich irgendwo dort zu schaffen gemacht hat."
Grador erteilte die entsprechenden Befehle über Interkom. Inzwischen betrat Paar Kox den Raum. Auf seine Fragen erhielt er keine Antwort. Larsa wartete, bis Grador alle nötigen Anweisungen gegeben hatte.
„Wir haben von dem missionarischen Drang gehört, der das Kristallwesen erfüllt", begann sie ihren Bericht. „Seit Tagen zerbreche ich mir den Kopf darüber, wer wohl das erste Opfer dieser Mission sein könnte?
Würde Njasi ihren Eifer an uns ausprobieren? Ich wartete auf ein Anzeichen. Aber Njasi rührte sich nicht. Offenbar paßten wir nicht in ihr Schema von formungs- und einigungsbedürftigen Substanzen. Aber jetzt hat sie eine solche Substanz, wie sie es nennt, gefunden: Amtraniks Horde. Ihr habt Rubin gehört: Die >Substanz< besteht aus geformten Individuen, die jedoch den Weg zur Einigung verfehlt haben. Ich nehme an, daß der seltsame Geisteszustand der Orbiter und der Krieger Amtraniks hierbei eine Rolle spielt. Womöglich sieht die Kristallintelligenz darin den Faktor, der den Prozeß der Einigung der >Orbiter-Substanz< verhindert. Wie dem auch sei, sie ist entschlossen, ihre Rolle als Glücksbringer zu spielen, wie das Buch Merison vorschreibt. Die Mission beginnt. Das Objekt der Mission sind Amtranik und seine Horde."
Eine halbe Minute lang herrschte betretenes Schweigen. Larsa konnte sich gut ausmalen, wie es jetzt in ihren Gehirnen arbeitete. Schließlich platzte Grador Shako heraus: „Das ist doch Quatsch! All diesen Unsinn willst du aus dem Geschwafel des Jungen herausgelesen haben?"
Larsa brauchte sich nicht zu verteidigen. Paar Kox, berufsmäßiger Friedensstifter, übernahm diese Aufgabe.
„Wir sollten uns das alles kühl durch den Kopf gehen lassen, Grador", mahnte er. „Mit Temperamentsausbruchen und Beleidigungen kommen wir hier auch nicht weiter."
„Und warum verschwindet der Kerl plötzlich? Wo kam er überhaupt her?" ereiferte sich Grador.
„Das sollst du uns sagen", forderte Larsa ihn auf. „Du warst es, der ihn hierherbrachte. Wo hast du
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