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0992 - Der Judasbaum

0992 - Der Judasbaum

Titel: 0992 - Der Judasbaum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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verlangt. Er hat mich gezwungen. Er hat mich erpreßt. Er wollte alles auffliegen lassen, und so ist es dazu gekommen. Aber auch ich bin nur ein Mensch, und ich habe meine Grenzen. Irgendwann ist es mit der Belastbarkeit vorbei. Dann geht nichts mehr. So war es auch bei mir. Ich konnte so nicht mehr weiterleben. Ich habe an Selbstmord gedacht, es wäre doch so einfach gewesen.« Er hob die Schultern. »Aber ich konnte es nicht tun. Mir fehlten der Mumm und der Mut. Und so entschloß ich mich, einen Brief zu schreiben und um Hilfe zu bitten.«
    »Haben sie in diesem Brief Ihre Taten zugegeben?«
    »Nein, das nicht. Ich wollte Hilfe. Ich wollte jemanden bei mir haben, der stark ist. Sie sind gekommen, Herr Sinclair.«
    »Und mich wollten Sie auch wieder wegschicken. Warum?«
    Er winkte ab. »Weil mir plötzlich die Sinnlosigkeit meines Tuns bewußt geworden ist. Als Sie zu mir kamen, da habe ich mich schon entschlossen, mich selbst umzubringen. Ich wäre sobald Sie verschwunden waren, in den Sumpf gegangen…«
    »Wer waren diese Menschen?«
    »Wanderer, denke ich.«
    »Und das taten Sie schon seit Jahren?«
    »Richtig«, flüsterte er. »Schon zu Zeiten der alten DDR.«
    Ich hätte mir am liebsten an den Kopf gefaßt und ihn durchgeschüttelt. Das war kaum zu fassen, was man mir da sagte. Dieser Mann, der so verloren neben mir stand, war ein mehrfacher Mörder. Okay, er war auch mal jünger gewesen, zu den Zeiten der DDR, aber auch in diesem totalitären System war er nicht aufgefallen.
    »Haben die damaligen Machthaber Sie denn in Ruhe gelassen?« fragte ich. »Ich meine, es war nicht einfach…«
    Er unterbrach mich. »Sie irren sich. Ich war nie einer der Mutigen, verstehen Sie?«
    »Nein.«
    »Ich habe mich arrangiert, und deshalb wurde ich von dem System in Ruhe gelassen. Nach der Wende hat man mich dann einfach vergessen. Ich bin durch das Netz geschlüpft. Außerdem habe ich mich nie durch Aktivitäten hervorgetan, und dieses Land hier ist nicht eben dicht bevölkert.«
    »Ja, das habe ich bemerkt. Die Einsamkeit ist wirklich außergewöhnlich.« Ich hätte ihm noch zahlreiche Fragen stellen können, das ließ ich zunächst und deutete wieder auf den Judasbaum, der im Sumpf stand und von einer dunklen Lache umgeben wurde. »Sie haben sicherlich den Mann und den Hund dort gesehen.«
    »Natürlich.«
    »Kennen Sie ihn?«
    Der ehemalige Bischof schüttelte den Kopf. »Ich kenne weder ihn noch den Hund. Wieso? Wer ist er?«
    »Lassen wir das. Nur steht fest, daß wir zu ihm müssen. Zu ihm und dem Baum. Das wiederum bringt mich zu einer weiteren Frage. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, hat Ihnen jemand befohlen, diese Taten auszuführen. Sie haben von einer Kraft gesprochen, von einem ER. Können Sie mir genauer sagen, um wen es sich bei diesem ER handelt?«
    »Sie kennen meine Antwort.«
    Ich winkte ab. »Nein, Herr Schneider. Sie haben die Kraft Satan genannt. Das glaube ich nicht.«
    »Was soll ich sonst sagen?«
    »Haben sie nie darüber nachgedacht?«
    »Das schon. Und ich weiß auch, daß dieser Sumpf in früheren Zeiten nicht immer so ruhig gewesen ist wie heute. Da hat man ihn regelrecht benutzt, wie Sie sich vorstellen können.«
    »Noch nicht ganz.«
    Sein Blick zeigte Verwunderung, als er sagte: »Haben Sie nie von wilden Müllkippen gehört, die es damals hier gab? Nicht nur Bitterfeld ist so ein Ort gewesen. Auch hier hat man abgekippt und die Natur zerstört. Dieser dunkle Teppich aus Flüssigkeit dort um den Baum herum. Er war früher wohl tief im Sumpf versteckt. Ich möchte das Ergebnis der Analyse nicht sehen. Jetzt ist es wieder an die Oberfläche gekommen, und zwar mit einer gewaltigen Macht. Der ganze Unrat ist hochgespült worden, aber ich wußte, daß es ihn schon vorher gab. Und ef lebt, Herr Sinclair. Er hat tatsächlich gelebt, so seltsam sich das auch anhören mag. Ich habe es deutlich gespürt.«
    »Ihre Wange?«
    »Ja. Einmal, als ich wieder jemanden wegbrachte, da kam ich mit ihm in Berührung. Aus dem Wasser schoß etwas hervor. Es klatschte in mein Gesicht, riß mir die Haut auf, und so entstand die Wunde, die nie wieder zuheilen wird. Ich werde Sie als ein Mal des Verräters behalten, bis zu meinem Ende.«
    »Wer ist dieser ER?«
    »Vielleicht ein Monster…?«
    »Ohne Namen?«
    »Ich kenne keinen.«
    Mein Blick fiel wieder über die Fläche hinweg. Zwischen uns und dem Baum bewegte sich das Wasser so gut wie nicht, abgesehen von einem leichten Kräuseln, das der Wind auf der

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