0996 - Die Grabkriecherin
Grab sein, mußte aber nicht. Oft gab es noch eine Umgebung unter dem Friedhof. Gänge von Grab zu Grab, gefährliche Höhlen, von denen kein Mensch wußte.
Die Grabplatte war so weit zur Seite geschoben worden, daß ich einen guten Blick in das Innere bekam. Zudem leuchtete ich noch hinein und sah zunächst nichts Auffälliges, abgesehen von einer doch sehr starken Tiefe und einer in der gegenüberliegenden Wand befestigten Leiter aus Eisen.
Sie würde mir nützlich sein können, denn ich hatte vor, in die Tiefe hinabzusteigen. Zunächst einmal bewegte sich der Lampenkegel auf dem Boden hin und her. Es gab da keinen zweiten Blutsauger, ich sah auch kein Vampiropfer, alles war so gähnend leer. Zumindest der Teil, den ich ausleuchtete.
Was tun?
Ich zog mich wieder zurück und versuchte, Kontakt zu Suko aufzunehmen. Vergebens, da war nichts zu machen.
Allmählich wurde es kritisch. Ich ließ das Vampirgrab in Ruhe und lief mit langen Schritten auf die Mauer zu. Diesmal nahm ich keine Rücksicht. Ich nahm den direkten Weg, auch über Gräber hinweg, denn ich wollte das Ziel so bald wie möglich erreichen.
Nahe des Eingangs kletterte sich über die Mauer hinweg. Auf der anderen Seite landete ich glatt und sicher und lief sofort nach links auf die einsam stehende große Trauerweide zu, in deren Schatten wir den Rover abgestellt hatten.
Es war dunkel, sehr dunkel sogar, aber ich wußte auch, daß ich bei Tageslicht nichts anderes gesehen hätte.
Suko saß nicht im Wagen.
Ich ging auf Nummer Sicher, schaute auch im Kofferraum nach, klappte ihn wieder zu und versuchte, eine Verbindung zwischen dem Erscheinen der Vampirfrau und dem Verschwinden meines Freundes herzustellen.
Es gab keine. Zumindest nicht für mich. Und das war verdammt bitter. In dieser Minute fühlte ich mich allein gelassen und zugleich an der Nase herumgeführt. Ich konnte einfach nicht daran glauben, daß dieses Untier allein die Regie führte. Da mußten noch andere Dinge eine Rolle spielen, von denen ich bisher nichts herausgefunden hatte.
Ich warf einen nachdenklichen Blick zur Mauer. Das Gestein schwieg, der Friedhof hinter der Abtrennung ebenfalls, doch mir war klar, daß die Ruhe trügerisch war.
Dort hielt sich eine Blutsaugerin versteckt, die sicherlich gierig war auf Menschenblut.
Und das floß auch in Sukos Adern…
***
Der Druck verteilte sich nach dem Erwachen nicht nur auf Sukos Kopf, er hatte auch den gesamten Körper eingenommen, und Suko kam sich vor wie umklammert.
Er war zwar aus der Tiefe der Bewußtlosigkeit wieder aufgetaucht, aber er hütete sich, es seiner Umgebung zu zeigen, denn er hatte zuerst Stimmen gehört.
Fremde Stimmen.
Männer sprachen.
Sie redeten langsam, ihre Stimmen klangen traurig, aber er vernahm auch die Stimme einer Frau, und die kam ihm irgendwie bekannt vor. Nur schaffte es Suko nicht, die Dinge auf den Punkt zu bringen. Zudem waren die Stimmen dabei, sich wieder zu entfernen, das kam ihm zumindest so vor.
Aber er war wach und blieb wach.
Noch hielt er die Augen geschlossen. Er wollte auch herausfinden, in welch einer Lage er sich befand.
Das Wissen oder der Schreck fuhr ihm wie ein heißer Strahl durch die Glieder.
Er war gefangen.
Die Tatsache allein reichte schon aus, um ihn nervös zu machen, aber es kam noch etwas hinzu. Er stand auf seinen Füßen, jedenfalls spürte er unter den Sohlen einen Gegendruck, aber es war ihm nicht möglich, sich zu bewegen.
Nicht einen Finger…
Nicht den Arm, auch nicht die Schulter.
Nur den Kopf.
Ihn drehte er. Mal nach rechts, mal nach links, immer nur kurz, und die Augen hielt er dabei geschlossen. Er konnte sich auf den kalten Ring an seinem Hals konzentrieren, als hätte man ihn dort in weiches Eisen gelegt.
Suko wußte sehr gut, daß hier einiges nicht stimmte. Man hatte mit ihm, dem Wehrlosen, etwas angestellt, an das er sich nicht gewöhnen und mit dem er sich nicht zurechtfinden konnte.
Ihm war so kalt. Und der Druck um seinen Körper schien immer mehr zuzunehmen.
Suko riß sich zusammen. Er wollte auf keinen Fall die Panik in sich hochsteigen lassen, was immer auch mit ihm geschehen sein mochte. Und so öffnete er intervallweise die Augen, wobei er zunächst nicht viel sah, dann aber zusammenzuckte, weil dicht neben seinem rechten Ohr etwas mit einem harten Schlag auf den Boden prallte.
Dieses Geräusch sorgte für ein weiteres Öffnen seiner Augen - und er konnte sehen.
Etwas wischte vor ihm hoch. Diesmal klatschte es an der linken
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