0996 - Die Grabkriecherin
Zeiten.«
»Sie haben recht.«
»Kennen Sie den Keller?«
Ich nickte, als er mir den Weg freigab, so daß ich das Haus betreten konnte. Den Schlüssel bekam ich ebenfalls. Riordan stand unschlüssig herum. »Sie können ruhig in Ihre Wohnung gehen. Mich interessiert nichts, was Ihnen gehört. Nur die Reste Ihrer Vormieterin.«
»Die stehen auf einem Regal«, erklärte er. »Ich habe ein neues Schloß anbringen lassen, damit niemand so leicht einbrechen kann.«
»Bewahren Sie wertvolle Dinge im Keller auf?«
»Das nicht gerade. Nur Angeln. Ich bin Fischer, und die Angeln sind nicht eben billig.«
»Das kann ich verstehen. Bis gleich, Mr. Riordan. Und vielen Dank für Ihr Vertrauen.«
»Ach ja, macht nichts.«
Wenig später stand ich im Keller. Ich hatte das Licht eingeschaltet. Der Geruch lagernder Äpfel drang mir in die Nase. Mal was anderes als Modergestank.
Die Tür sah nicht neu aus, aber das Schloß. Ich schob den flachen Schlüssel hinein und mußte ihn zweimal drehen. Dann stand ich in diesem kleinen Raum mit der niedrigen Decke, den dicken Wänden und war überrascht, wie peinlich sauber und aufgeräumt er war. Riordan hatte hier unten seine kleine Bastelwerkstatt eingerichtet und auch das Arsenal für seine Angeln, Netze und andere Dinge, die er brauchte, um seinem Hobby nachzugehen.
Das Regal sah ich auch. Es stand an er Wand rechts von mir. Ich blickte hoch. Auf dem obersten mußten die Dinge stehen, die einmal Marcia Morano gehört hatten.
Geschirr. Zwei Vasen, eine alte Kaffeemühle, ein Toaster, der bestimmt nicht mehr funktionierte.
Riordan hatte alles in einer Reihe aufgebaut. Als Sportfischer war er ein ordentlicher Mensch, und er hatte auch die Schale verwahrt.
Mein Herz klopfte schon schneller, als ich das Gefäß erkannte. Erinnerungen tauchten wie taumelnde Bilder in mir auf. Der Inhalt bestand nicht aus normalem Blut. Ich dachte an die Veränderung, als es mit meinen Kreuz in Kontakt geraten war, und ich dachte an diesen Engel Doniel, der nicht eben die Eigenschaften gehabt hatte, wie man sie von einem Engel erwartet. Er hatte auch Marcia in seinen Bann gezogen und sie mit dem blutigen Stigma gezeichnet. Wo Licht ist, da ist auch Schatten.
Gerade bei Marcia hatte ich das deutlich erleben müssen.
Auf der Blutschale saß noch der Deckel. Ich wollte nicht, daß er abrutschte, wenn ich das Gefäß vom Regal holte. Behutsam legte ich meine Hände um die Seiten.
Obwohl alles klappte und mich niemand störte, hatte ich Mühe, ein Zittern zu unterdrücken. Ich war schon aufgeregt. Das hing sicherlich mit den Erlebnissen aus der Vergangenheit zusammen, an die ich mich immer wieder erinnerte.
Ich suchte einen Ort, an dem ich die Schale abstellen konnte. Ich entschied mich für die Werkbank.
Der Deckel klemmte. Wahrscheinlich war er verklebt. Ich bewegte ihn behutsam. Ein kleiner Ruck, dann fiel mein Blick in die offene Schale - und auf das Blut.
Ja, es war noch da.
Mein Herz klopfte schneller. Es war die Aufregung, die Erinnerung. Das Licht hier war für Keller-Verhältnisse sehr gut. Ich konnte alles sehen, sogar die Farbe, und sie kam mir dunkler vor. Zudem hatte sich auf der Oberfläche des Bluts auch eine kleine Haut gebildet.
Ich ärgerte mich jetzt, daß ich damals, nach meiner Rückkehr aus Italien, die Schale nicht an mich genommen hatte. Dann wäre mir vieles erspart geblieben.
Mit dem Finger strich ich über die Oberfläche hinweg und tippte sie dann an.
In der Tat war die Haut zu spüren, die mir nur einen geringen Widerstand entgegensetzte.
Den Deckel hob ich an und setzte ihn wieder zurück auf das Unterteil. Hier im Keller war ich fertig.
Ich brachte die Schale vorsichtig wieder in den Gang, stellte sie ab, verschloß die Tür und machte mich mit der Schale auf den Weg nach oben.
Riordan schien mich gehört zu haben, denn bevor ich schellen konnte, öffnete er die Tür.
»Ah, da ist sie ja. Zufrieden?«
»Sehr.« Ich gab ihm den Schlüssel und wollte mich bedanken, aber er hatte noch eine Frage. »Es gehört sich zwar nicht, aber ich kann mir vorstellen, daß die Schale auch einen Inhalt hat.«
»Haben Sie nicht hineingeschaut?«
»Kann sein. Ich erinnere mich nicht mehr.«
»Da ist etwas drin, das ich als Beweismittel brauche.«
Riordan verengte die Augen. »Dann war diese Heilerin wohl nicht ganz koscher, wie?«
»So kann man es auch sagen!« bestätigte ich, ohne jedoch näher darauf einzugehen.
Der Mann nickte. »Das hatte ich mir gedacht. War zwar nur
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