1 Fatale Bilanz - Ein Hamburg-Krimi
abgeerntete Felder, die wie überdimensionale Fußballfelder mit verbranntem Rasen aussahen. Für ihren Geschmack erreichte sie das Kreuz Ost viel zu schnell. Die Brücke vor ihr war regelmäßiger Standort für Blitzer, so dass sie den Toyota widerwillig auf knapp unter 100 km/h abbremste. Der Verkehr nahm zu und sie war froh, dass sie in Billstedt die Autobahn verlassen musste. Vermutlich staute es sich wieder einmal vom Kreuz Süd-Ost zurück bis nach Moorfleet.
Wenigstens war die Baustelle auf der B5 endlich erledigt. Früher hatte sie hier etliche Male im Stau gesteckt, aber dieAlternativroute über die A24 und den Horner Kreisel war auch nicht besser. Erfreulich schnell erreichte sie das Ortsschild Hamburg und konzentrierte sich die nächsten Meter mehr auf ihren Tacho als auf den fließenden Verkehr. Der neue High-Tech-Blitzer fiel kaum auf und die Versuchung war groß, während der Grünphase mit überhöhter Geschwindigkeit in den Ort hineinzufahren. Nachdem sie die Säule mit den Blitzern passiert hatte, fuhr sie auf der Eiffestraße weiter Richtung Innenstadt. Die grau-roten Wohnblöcke aus den Siebzigerjahren wurden nach wenigen hundert Metern von den ersten Geschäftshäusern abgelöst. Die bunte Mischung der Branchen hatte sie nie verstanden. Der Porschehändler passte nicht wirklich in diese Gegend, der KFZ-Teile-Händler ein Stück weiter schon eher. McDonalds und Burger King lagen nur wenige Meter auseinander und lieferten sich einen erbitterten Konkurrenzkampf um die Berufsschüler und die Mitarbeiter in den Bürohäusern, von denen der Neubau der Hamburger Sparkasse am Wikingerweg am auffälligsten war.
Sowohl die Ampeln am Anckelmannsplatz als auch die vorm Deichtortunnel zeigten grün und sie erreichte die Bank früher als geplant. Als dann auch noch direkt vor ihrem alten Arbeitsplatz ein Parkplatz frei wurde, war sie sicher. Das musste ein gutes Omen für ihr Vorhaben sein. Es musste einfach alles klappen.
Als sie vor dem Eingang stand und die Glasfassade hochblickte, begann ihr Herz schneller zu schlagen. Statt des Ficus’, der nur dank der regelmäßigen Pflege durch Heinz, der sich heute in den Vorruhestand verabschiedete, überlebt hatte, standen am Fenster ihres alten Büros drei Kakteentöpfe.
Der Pförtner begrüßte sie mit Namen und verzichtete auf die Kontrolle ihres Mitarbeiterausweises, der auch während ihres Erziehungsurlaubs gültig war.
Es war eindeutig ihr Tag. Die Fahrstuhltüren öffneten sich und der leere Flur lag vor ihr. Ein guter Freund hatte ihr erzählt, dass zurzeit keine Berater im Haus waren. Perfekt, damit warderen Büro ungenutzt und ideal für ihre Zwecke. Ungesehen schlüpfte sie in den Raum und schaltete den Computer ein. Ebenso wie ihr Ausweis, mussten auch ihre Zugangsdaten noch gelten. Theoretisch. Zu nervös, um sich zu setzen, wartete sie auf die Eingabemaske. Erst als sie sich problemlos eingeloggt hatte, wagte sie es, aufzuatmen.
Sie rief die Umsatzabfrage für das Konto auf, das sie scherzhaft Raubtierfonds nannten, und blinzelte. Das gab’s doch nicht. Nur kleinere Posten. Keine 500.000 Euro, die zweimal im Monat von dort auf das Girokonto der Reederei gebucht wurden. Sie überprüfte die Eingaben und erhielt dasselbe Ergebnis. Es musste eine Erklärung geben, aber ihr fiel keine ein. Rasch druckte Alex die Seite aus und verstaute das zusammengefaltete Blatt in ihrem Blazer.
Stimmengewirr aus einem der Besprechungsräume verriet ihr, wo Heinz’ Abschiedsfeier stattfand. Ohne Dirks Hilfe würde sie nicht klären können, warum die Buchführung der Bank ihr keine Umsätze anzeigte. Also konnte sie jetzt das Wiedersehen mit ihren ehemaligen Kollegen genießen – bis es Zeit für Kranz war.
Sie hatte den Raum kaum betreten, als Heinz Beckmann auf sie zukam und sie umarmte.
»Mensch, Alex, schön, dass du es geschafft hast, einen alten Mann persönlich zu verabschieden.«
»Du und alt? Du siehst keinen Tag älter als Mitte vierzig aus. Die Personalabteilung soll lieber überprüfen, ob du wirklich schon Anspruch auf den Ruhestand hast.«
Sie hätte die Frotzelei mit Heinz zu gern fortgesetzt, aber jetzt hatten sie auch andere Kollegen entdeckt und bestürmten sie mit Fragen. Nur wenige Meter entfernt stand ihr Ex-Chef, und sie konnte es im ersten Moment kaum fassen. Er war in den letzten Monaten extrem gealtert. Die braunen Haare waren ergraut und die Lachfältchen zu Furchen geworden. Seine ehemals sportlicheFigur hatte etwas
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