1 - Schatten im Wasser
Rage, dass er die einzige kleine Brücke wegriss, die zwar nur aus Mangrovenstämmen bestand, aber den sumpfigen Teil der Straße überbrückte und den lächerlichen Kanal platt machte, der von Lieutenant Gibbs Leuten in der Absicht gegraben worden war, fließend Wasser nach Durban zu bringen.« Er schmunzelte. »Dabei hat er eine Schneise durch Catos Land gepflügt, die seitdem Cato's Creek genannt wird. Ein eigenwil iger Kerl, der Umgeni.«
Unter Gebrüll und Peitschenknallen lenkte Strydom sein Gefährt um eine weite Kurve, und Catherine lehnte sich vor, ge-266
spannt auf den ersten Eindruck der Stadt. Der Charakter der Bewohner spiegelte sich in den Häusern einer Stadt wider, dachte sie und sah dabei die klaren, geradlinigen Fassaden an der Ham- | burger Alster, die Reichtum und Überfluss verbargen, und die heiteren der Häuser in Wien, die Lebensfreude und Melancholie zugleich ausdrückten. Natürlich kam es auf den Zustand der Gebäude an, nicht zu sprechen von dem der Straßen.
Durban würde nicht so groß sein wie Kapstadt, der Il usion gab sie sich nicht hin. In Gedanken verkleinerte sie die Stadt am Kap einfach. Was sie jetzt vor sich sah, war eine Reihe einstöckiger, weiß gekalkter Häuser, die die Bucht säumten, breite Straßen, hübsche Gärten, die unvermeidlichen Hafengebäude und den dazugehörigen Dreck. Man musste schließlich realistisch sein.
Jetzt verdeckte nur noch ein tief überhängender Baum mit lila Blüten den Blick, sie lehnte sich weiter vor, und dann schwenkten sie unter zwei Milkwoodbäumen, die einen natürlichen Torbogen bildeten, in eine über hundert Fuß breite Straße ein. Catherine hielt den Atem an. Schlagartig verstummte jede Unterhaltung auf dem Ochsenwagen.
Mr. Robertson hatte Recht gehabt. Die Stadt Durban gab es nicht.
Die Straßen waren aus lockerem, von tiefen Furchen durchzogenem Sand, hier und da sprossen ein paar Zelte oder grasgedeckte Hütten wie braune Pilze in Obst- und Gemüsegärten, dazwischen lagen leere, von großblättrigen Pflanzen und ver- filztem Busch überwucherte Flächen. In Viehgattern blökten Kühe, Hühner pickten zwischen Schweineställen, und unter einem blühenden Kaffirbaum faulenzten laut schwatzend ein paar nackte Schwarze. Die räudigen Tierschwanzquasten um ihre Hüften bedeckten kaum das, was den sich vor Peinlichkeit windenden Damen die brennende Röte in die Wangen trieb.
Fassungslos, nicht imstande, auch nur ein Wort zu äußern, starrte Catherine auf das, was die Leute hier als Stadt bezeichneten. Vergeblich suchte sie das freundliche Blinken von Fensterscheiben. Al e Fensteröffnungen waren mit Musselin verhängt. War hier ein Sturm hindurchgefegt, der alle Fenster zertrüm-267
mert hatte? »Wo um alles in der Welt ist die Stadt? Wo sind die Häuser, die Läden?«, fragte sie mit schneidender Stimme. Langsam war sie am Ende ihrer Kräfte und ihrer Geduld.
Dan feixte und spuckte in den Sand. Johann hob entschuldigend seine geschundenen Hände. »Du musst es dir nur vorstellen. Das hier ist die Smithstreet, an der bald Läden und Hotels errichtet werden«, mit lebhaften Gesten wies er auf den Sandweg vor ihnen, »parallel dazu läuft die West Street. Dort wird unser Rathaus einmal stehen, und dann werden gediegene Läden und Stadthäuser gebaut, sogar ein Park ist geplant.« Er lehnte sich vor. »Da hinten ist Dick Kings Schlachterei, hier wird ein Hotel entstehen, und die Grundstücke dort gehören Mr. Gre- sham, der Großes vorhat, und in dem länglichen Gebäude auf der anderen Seite sind die Anglikanische Kirche und die Schule untergebracht. Mr. Grafton kannst du schon bei seinem Handwerk hören.« Das helle Pingping einer Schmiede, das aus der Nähe herüberklang, untermalte seine Worte.
Catherine sank zusammen und starrte stumm auf das, was er ihr zeigte, aber ihre Vorstellungskraft reichte nicht aus, mehr zu sehen als die ausgefahrene Sandstraße, den verfilzten Busch und die paar jämmerlichen Hütten dazwischen. In wenigen Minuten war das Bild von Durban, von der kleinen, weißen Stadt am Meer, in ihr zusammengebrochen. Die Trümmer trafen sie hart. Tränen prickelten hinter ihren Lidern, doch sie beherrschte sich eisern, wollte sich keine Blöße vor den anderen Passagieren geben.
»Das weiß gekalkte Ladengebäude dort ist als Cato's bekannt. Es ist das Zentrum Durbans, hier findet das Leben statt. Man trifft sich, tauscht Nachrichten aus, bespricht die Lage der Welt. Ochsengespanne werden hier abgeschirrt,
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