1 - Schatten im Wasser
Der Stolz überwältigte ihn und trieb ihm die Tränen in die Augen. Schnell wischte er sie fort, ehe er ihr folgte.
Seine Frau wrang eben den unteren Teil ihres Rockes aus und strich ihn glatt. »Das muss jetzt reichen, ich werde mich nachher umziehen.
Außerdem brauche ich neues Wasser, dieses ist voller Schlangengift«, sagte sie. »Und jetzt zeige mir bitte das restliche Haus.« Mit energischen Schritten ging sie vor ihm her, fest entschlossen, ihre Haltung zu bewahren, egal, was kommen würde.
331
Der Zugang zur Küche führte durchs Wohnzimmer. Er ging ihr voraus.
»Vorsicht, Stufe«, rief er und bot ihr seine Hand.
Catherine ignorierte sie und trat über die niedrige Schwelle.
Er schob eine knarrende Tür auf, die zu einem fensterlosen, dumpf riechenden Raum führte. »Hier ist die Vorratskammer. Sie hat keine Fenster, sonst bedienen sich die Affen an unseren Vorräten. Das sind schon arge Racker, genau so schlimm wie die Ratten«, erklärte er und spähte hinein. »Ich werde noch mehr Regale dort anbringen. Das fände ich praktisch. Du nicht auch?«
In eisernem Schweigen nickte sie.
Links an der Wand zum Wohnraum, direkt unter einem quadratischen Fensterloch, stand ein solider, langer Tisch, daneben ein Regal mit nur wenigen blau gemusterten Geschirrteilen und an der gegenüberliegenden Wand eine umgedrehte Kiste mit einer großen Schüssel.
»Für den Abwasch«, erklärte er überflüssigerweise und löste den Riegel der zweigeteilten Tür, die auf die Veranda führte, öffnete aber nur den oberen Teil. Ein blühender Mimosenbaum warf einen schönen Schatten auf die Tür. »So kann man hinaussehen, aber hält das Viehzeug, das sich hier so herumtreibt, draußen. Hier«, er stieß die Seitentür neben dem Abwaschtisch auf, »hier ist unser Kochhaus«, strahlte er und führte sie über den schmalen, mit Feldsteinen gepflasterten Weg, wobei er das gut hüfthohe Gras, das zwischen den Steinritzen wucherte, heruntertrat.
Schweigend musterte sie das Kochhaus. Es war nichts weiter als ein Grasdach auf vier Pfosten über einer gemauerten Feuerstelle mit einem Ring aus Feldsteinen darum, überwuchert von üppigem Grasbewuchs. In ihrer Vorstellung war das Kochhaus ein heller, warmer Raum gewesen, der nach frischem Brot roch, mit einem Tisch in der Mitte, an dem Dienstmädchen Gemüse putzten, und einem großen Herd, wo die Köchin die erlesensten Gerichte kochte, ihren Töpfen die wunderbarsten Düfte ent-wichen. Sie hob einen Stein auf, wog ihn nachdenklich in der Hand. Dann legte sie ihn sorgfältig auf die Feuerstelle.
332
Johann plusterte sich vor Stolz. »Sehr praktisch, nicht wahr? So zieht der Rauch in die freie Natur ab. Möchtest du vielleicht eine Sitzgelegenheit haben? Auch ein Tisch wäre gut, denke ich. Das Gras schneide ich nachher.« Er war so begeistert von seinem Haus, so begierig, ihr alles zu zeigen, dass er ihr Schweigen nicht wahrnahm. »Komm, du musst endlich den Blick von unserer Veranda bestaunen.«
»Wo lebt Sicelo eigentlich? Doch nicht etwa hier?«, fragte sie und wies auf das Haus. Ganz bestimmt nicht hier.
»Nein, nein«, beruhigte er sie hastig. »Ich habe ihm ein Stück Land überlassen. Es liegt nicht sehr weit von hier entfernt. Dort hat er sein eigenes Umuzi gegründet, und nur für Notfälle hat er sich hinter dem Kochhaus die Hütte gebaut.« Er zog sie die Stufen hinauf, die zur Veranda führten.
Sie trat aus dem Schatten des tief heruntergezogenen Rieddachs hinaus ans Geländer und sah über das weite Land, das sich zu ihren Füßen erstreckte.
Violette Schatten lagen in den Senken, schwebten wie Spinnweben über dem Busch, und um die Hügelkuppen glühte ein feuriger Kranz, wo die Sonne eben unterging. Ihre Strahlen vergoldeten die Spitzen der Palmwipfel und verwandelten die Kronen der Bäume in lodernde Flammen.
Das verlöschende Sonnenfeuer tanzte auf der spiegelnden Oberfläche des Wasserlochs unten im Tal, an dem eine Herde zierlicher Impalas ihren Abendtrunk einnahmen. Aufmerksam witternd wartete ein Gnu unter einem Baum.
»Ist es nicht ganz und gar wunderbar?«, flüsterte er andächtig und legte vorsichtig seinen Arm um ihre Schultern.
Es war grandios und wunderbar, das sah sie, aber es berührte sie nicht; ebenso wenig verspürte sie Müdigkeit oder Hunger, und als sie sich am Geländer einen Splitter in den Finger riss, war da auch kein Schmerz. Noch immer schien es ihr, als existierte sie auf einer anderen Ebene, als schaute sie als Zaungast von
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