1 - Schatten im Wasser
draußen herein. So nickte sie nur und wandte sich wieder dem Haus zu, und erst jetzt entdeckte sie den toten Springbock, der an zusammengebundenen Läufen kopfüber von dem äuße-333
ren Querbalken hing, der das Dach stützte. Auf dem Holzboden unter ihm stand eine schwärzliche Blutlache. Sein Fell schien sich zu bewegen, aber als sie näher hinschaute, waren es nur Hunderte von Fliegen, die darin herumkrochen, und auch die blutige Pfütze auf dem Boden war von wimmelnden schwarzen Fliegen bedeckt.
Onetoe-Jack stand breit grienend daneben, eine Hand in die beutelige Tasche seiner roten Kniebundhosen gebohrt. »Das hab ich euch als Geschenk mitgebracht. Ein Prachtbursche, nicht wahr? Hab ich vor zwei Tagen geschossen, sollte morgen schön mürbe sein.« Er klatschte dem toten Tier auf die Flanke, die Fliegen schwärmten hoch und schwirrten ihr mit bösem Gesumm ins Gesicht.
Es war zu viel. Ihre mühsame Selbstkontrolle brach zusammen. »Hölle und Verdammnis«, tobte sie. »Schaff mir diesen Kadaver mitsamt diesem grässlichen Menschen aus den Augen, sonst reite ich auf der Stelle nach Durban zurück und schiffe mich nach Kapstadt ein! Und jag die Köter in den Urwald!«
Damit machte sie auf den Hacken kehrt, fegte ins Haus durchs Wohnzimmer, den Gang hinunter zum Schlafzimmer, dabei schimmernde Staubwolken aufwirbelnd, und knallte endlich die Schlafraumtür hinter sich zu. Schwer atmend lehnte sie neben dem musselinverhängten Verandafenster, nur drei Fuß entfernt von Johann und dem Elfenbeinjäger, und jedes Wort, das die beiden Männer sprachen, verstand sie klar und deutlich.
Als die Tür geknallt hatte, war Onetoe-Jack zusammengezuckt, sein Hut rutschte ihm über die Augen. Mit einem Finger schob er ihn auf den Hinterkopf, worauf seine Stirn unnatürlich höher wurde, und starrte Johann fassungslos an. »Was ist denn in deine Frau gefahren?«
Keiner der beiden Männer bemerkte die Lauscherin.
Betreten betrachtete Johann seine Stiefelspitzen. »Du musst ihr das nachsehen. Sie ist Derartiges nicht gewöhnt«, erklärte er niedergeschlagen.
»Ihr Vater hat nur Tiere gejagt, die unter ein Mikroskop passten. Das wirkliche Leben kennt sie noch nicht, sie ist gerade erst achtzehn geworden. Die meiste Zeit lebte sie auf
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Segelschiffen, nur mit Büchern und einer verknöcherten Gouvernante als Gesellschaft. Während ihr Vater in aller Herren Länder durch den Urwald kroch, musste sie auf den entlegensten Missionarsstationen auf ihn warten.
Die wenigen Monate zwischen den Reisen verbrachte sie in einem vornehmen Stadthaus mit Die nerschaft.« Er zuckte mit halbem Lächeln die Schultern. »Dafür schwimmt sie wie ein Fisch und wird nie seekrank.«
Onetoe-Jack ließ seinen Blick über die endlosen Hügel wandern und zog dabei besorgt an seinem Ohrläppchen. »Fähigkeiten, die sicherlich ihre Meriten haben, aber nicht zu den wichtigsten Eigenschaften einer jungen Pioniersfrau in Zululand gehören, nicht wahr? Du weißt, wie schwierig es für uns im Busch ist, eine Frau zu finden, die es hier aushält. Kochen sollte sie können, backen und nähen. Wird sie das Haus ohne Hilfe in Ordnung halten können, unangemeldete Gäste mit Freundlichkeit und Anstand bewirten und ihnen Schlafgelegenheiten bieten? Sie muss imstande sein, den Kaffern, die im Haus arbeiten, alles beizubringen, und sie muss die Autorität besitzen, sie straff zu führen. Wenn sie denn welche findet.« Er lachte, ein Geräusch wie ein hartes Bellen. »Sollte das Wunder geschehen und sie all das können, was es benötigt, um als Farmersfrau in dieser Gegend zu leben, braucht sie noch die Konstitution eines Trekochsen und ein sonniges Gemüt, das ihr erlaubt, Freude an allem zu finden. Hast du daran gedacht? Dabei habe ich noch nicht von deinen dynastischen Träumen gesprochen, darüber, dass du dir eine große Familie wünschst, Söhne, die eines Tages Inqaba übernehmen können.«
Catherine wunderte sich nur flüchtig über die gepflegte Sprache dieses merkwürdigen Mannes, zu sehr war sie vor den Kopf geschlagen von dem, was er gesagt hatte. Atemlos beugte sie sich vor, um zu sehen, wie ihr Mann reagierte.
Seine Miene hatte sich während dieser Ausführungen zusehends verfinstert. »Ich liebe sie«, antwortete er schroff. »Ich liebe sie bis zum Wahnsinn, mehr als mein Leben.«
»Mehr als Inqaba?«, fragte Onetoe-Jack, und seine Augen strichen dabei über das weite, honiggoldene Land.
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Es dauerte eine Weile, bis sein Freund Worte
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