Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
Vom Netzwerk:
vergessen. In Zululand gab es keinen Menschen im Umkreis von vielen Hektar Land, in Durban war das jedoch anders. Mit großer Selbstbeherrschung hatte sie ihre körperlichen Regungen unterdrückt, bis es dunkel war und sie sich vor Blicken einigermaßen sicher fühlte. Doch nur zu gut erinnerte sie sich an die unheimlichen Geräusche im Busch, die ihr deutlich machten, dass sie keineswegs allein war. »Ah! Ich wusste nicht, dass es dafür eine Bezeichnung gibt.«
    »Ich bin gleich mit dem Wasser zurück«, sagte er hastig, als kein Beifall für seine bewundernswerte Einrichtung von ihr kam, und ließ sie allein.
    Mit einer Hand schob Catherine die Tür auf. Gestaute Hitze und eine Geruchswolke von Kloake und trockenem Holz schlugen ihr entgegen.
    Aufgescheuchte Fliegen summten zornig. Durch 329
    einen langen Spalt am oberen Ende der dünnen Holzwand, wo sie ans Bretterdach stieß, fiel gedämpftes Licht herein. Spinnweben hingen wie Vorhänge in jeder Ecke. Die Toilette war im Hinblick auf derartige Einrichtungen dieser Art in Durban akzeptabel, der Sitz wiederum eine zweckentfremdete Kiste mit einem runden Ausschnitt und einem Deckel, der genau hineinpasste. In der Mitte des Deckels zusammengerollt döste eine dicke Schlange mit schöner Zeichnung.
    Catherine stand stockstil und blinzelte nicht einmal, da sie gelesen hatte, dass Schlangen vermutlich nur bewegte Beute erkennen konnten. An ihrem wuchtigen, diamantförmigen Kopf identifizierte sie das Reptil als Puffotter.
    »Johann«, krächzte sie, doch als Antwort fingen Onetoe-Jacks Hunde an zu jaulen und kratzten so heftig an der dünnen Holzwand, dass sie wackelte. Die Schlange hob ihren Kopf und züngelte. Catherine wagte nicht, sich zu bewegen, ihre Entfernung zur Schlange betrug nur zwei oder drei Fuß. Schnell ließ sie ihre Augen durch den winzigen Raum streichen und blieb an einem kindskopfgroßen Stein zu ihren Füßen hängen, der wohl dazu benutzt wurde, die Tür aufzuhalten.
    In dem Bruchteil dieser einen Sekunde, als sie entschied, dass sie keine andere Wahl hatte, als selbst das Tier mit dem Stein zu erschlagen, tat sie den ersten Schritt in ihr neues Leben. Sie bückte sich sehr langsam, behielt dabei das Reptil sorgfältig im Auge, packte den Stein mit beiden Händen und richtete sich ebenso langsam wieder auf. Es war absolut notwendig, die Schlange sofort zu zerschmettern, einen Fehlwurf konnte sie sich nicht leisten.
    Noch einmal lauschte sie, ob Johann zurückkehrte, und als sie nichts hörte, hob sie den Stein, legte all ihre Kraft, all die Wut, die sich seit ihrer Ankunft in diesem unsäglichen Nest Durban angestaut hatte, alle Enttäuschung und ungeweinten Tränen in diesen Wurf.
    Der Stein traf die Puffotter mitten auf dem Leib, brach ihr mehrfach das Rückgrat, rollte dann vom Toilettensitz und polterte auf den Boden. Das Reptil riss im Todeskampf sein Maul
    330
    auf, fuhr die Giftzähne aus und spritzte mit einer letzten gewaltigen Anstrengung die gelbliche, klare Flüssigkeit heraus.
    Catherine machte einen Satz rückwärts, doch der dünne Strahl traf ihr Kleid und die Schuhe. Das Tier fiel ihr vor die Füße, zuckte noch ein paar Mal. Dann war es vorüber. Sie betrachtete die Giftotter. Kein Lebenszeichen war mehr zu entdecken. Die Schlange war tot. Triumph rauschte wie schwerer Wein durch ihr Blut. Sie spürte eine unbändige Kraft in sich, die nichts mit Muskeln zu tun hatte. In die nachfolgende Stil e fielen Johanns Schritte auf dem Dielenboden im Gang. Sie öffnete die Toilettentür und rief ihn. »Könntest du dieses Vieh bitte entfernen? Ich muss mir das Gift aus dem Rock waschen.« Mit Schwung warf sie ihre Haare zurück, hob ihren giftgefleckten Rock mit spitzen Fingern an und verschwand im Schlafzimmer.
    Johann, nicht verstehend, setzte die Taschen ab, die er he reingeschleppt hatte und betrat beunruhigt den Toilettenraum. Entsetzt starrte er dann auf das, was auf dem Fußboden lag. Automatisch überschlug er die Größe der Schlange, sah die tödlichen Giftzähne und musste sich am Türrahmen festhalten bei dem Gedanken, wie knapp Catherine, die sein Leben bedeutete, ohne die er nicht mehr atmen konnte, dem sicheren Tod entronnen war.
    Erst dann begriff er, dass diese elegante, schöne, junge Frau mit den zarten Händen, seine Frau, die eine Zierde jedes großen Salons der gesellschaftlichen Welt sein würde, das Reptil erschlagen hatte, mutig wie jede durch die mörderischen Treks in Afrikas Wildnis kampferfahrene Pionierfrau.

Weitere Kostenlose Bücher