1 - Schatten im Wasser
sich irgendwo verkriechen zu können, um das eben Gehörte zu verdauen. Hatte ihr anfänglich die Information, dass Inqaba wirtschaftlich auf der Kippe stand, die Laune restlos verhagelt, glich Onetoe-Jacks Bemerkung über Konstantin von Bernitt einem Erdbeben. Mit übermenschlicher Anstrengung gelang es ihr, sich nichts anmerken zu lassen. »Sagen Sie, Mr. Mitford, wie viele Hausbedienstete werde ich hier benötigen, was meinen Sie?«
George Mitford paffte an einer Zigarre und warf Johann einen schnellen Seitenblick zu. »Nun, Mrs. Steinach, das kommt ganz 366
darauf an. Wir haben einen Küchenjungen und einen fürs Grobe im Haus und zwei, die den Garten in Ordnung halten sollen. Aber ich erlebe einen Reinfall nach dem anderen. Die Zulus sind fett und faul, dem guten Leben zugewandt und völlig uneinsichtig, dass Arbeit den Menschen adelt. Mein Küchenjunge verlangt fünf Shil ing Sixpence, natürlich zusätzlich zu freier Unterkunft und Verpflegung, unglaublich.« Er kniff seine dünnen Lippen zusammen.
Dan prustete los. »Ist Ihnen mal der Gedanke gekommen, dass die Kerle wesentlich intelligenter sind als wir? Warum sollten sie arbeiten? Sie leben wunderbar ohne Arbeit, essen reichlich, liegen in der Sonne herum, kauen diesen grässlich schmeckenden Kautabak, und ihre Frauen arbeiten unterdes für sie.«
George Mitford nickte zustimmend. »Ich hab meinen Jungs eine Kuh pro Jahr angeboten, die ja immerhin ein bis zwei Pfund wert ist, aber keinen der Kaffern kann man dazu bewegen, ein ganzes Jahr ununterbrochen auf der Farm zu arbeiten. Es dauert meist keine drei Wochen, da kriegen sie Sehnsucht nach Zuhause und verschwinden.«
»Verschwinden?«, fragte Catherine, froh, dass es ihr gelungen war, die Konversation auf ein neutrales Gebiet zu lenken. »Einfach so? Haben sie keinen Vertrag?«
»Einfach so«, bestätigte Mr. Mitford. »Sie sind so primitiv, dass sie keinerlei moralische Verpflichtung ihrem Arbeitgeber gegenüber verspüren.
Dabei behandeln wir sie fast wie zur Familie gehörig.«
»Unsinn, George, ihr Engländer behandelt eure Kaffern wie zahme Haustiere, nicht wie Menschen«, warf Dan ein, dem deutlich anzumerken war, dass er George Mitford nicht leiden konnte. »Ich sag Ihnen eins, irgendwann werden sie merken, dass ihr ganz normale Sterbliche seid und nicht die großen weißen Häuptlinge, die Feuerstöcke haben und geheimnisvolle Kräfte, und dass ihr von den meisten Dingen, die in ihrem Leben eine Rolle spielen, absolut nichts versteht, genauso wenig wie ihre Sprache. Und dann, mein Lieber, geht's uns an den Kragen. Sie sind nämlich absolut nicht dumm und naiv, man kann sie nicht 367
wie einen Stier am Nasenring herumführen. Sie sind ein tapferes, kriegerisches Volk, hungrig nach Land und Rindern, die ihre Währung sind, verschlagen und schlau. Gnade uns Gott, wenn sie übermütig werden und es ihnen nach unserem Besitz gelüstet.«
»Ach, du lieber Himmel, das klingt ja ganz und gar erschreckend«, rief Catherine, die sich kaum zwingen konnte, der Unterhaltung zu folgen. »Wie sieht es bei uns aus, Johann? Diese Jikijiki, die ich heute Morgen im Busch getroffen habe, würde die vielleicht im Haus arbeiten?«, fragte sie und wunderte sich, dass Johann rot anlief und Onetoe-Jack sich wegdrehte und mit Justus Kappenhofer sofort eine lautstarke Konversation über das Wetter begann.
»Haben Sie schon Ihre hauseigene Giraffe gesehen? Nein? Dann kommen Sie«, dröhnte Dan de Vil iers, zog sie sanft, aber nachdrücklich zum Geländer und zeigte hinunter aufs Wasserloch. »Soweit ich weiß, hat sie gerade ein Kalb. Nennt man das Giraffenjunge eigentlich Kalb? Weiß ich gar nicht.« Er redete schnell und lächelte breit. »Wir sollten Per Jorgensen fragen, der weiß so etwas. Per, komm doch einmal her.«
Per Jorgensen war ein blonder Hüne mit schwellenden Muskelpaketen.
»Weiß nicht«, antwortete er auf Schwedisch.
»Per spricht außer seiner Muttersprache keine Sprache richtig«, informierte Dan die Hausherrin, heilfroh, dass er sie von dem heiklen Thema Jikijiki abgelenkt hatte. »Aber Cil a, seine Frau, kann ein wenig Französisch.«
Cil a Jorgensen passte zu ihrem Mann. Sie war groß, ihr Blick stahlblau und furchtlos, und ihr Profil hatte nichts Weiches, es war scharf geschnitten wie das eines edlen Wilden aus dem Norden Amerikas. Catherine musste zu ihr aufsehen und war für einen Augenblick von dieser kraftvollen Persönlichkeit eingeschüchtert. Bis Cil a lachte.
Es war ein
Weitere Kostenlose Bücher