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1 - Schatten im Wasser

Titel: 1 - Schatten im Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefanie Gercke
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er.
    »Bella carissima«, flüsterte er heiser und blies ihr ins Ohr, bemerkte dabei vergnügt, dass sie eine Gänsehaut bekam. Er überlegte, wie er es anstellen konnte, dieses deliziöse Fräulein le Roux irgendwo ganz allein für sich zu haben. Jagdfieber glühte in seinen schwarzen Augen.
    »Catherine!« Wie aus weiter Ferne drang die Stimme ihres Vaters zu ihr durch, mit einem Ruck kam sie zu sich, erhaschte gerade noch diesen siegessicheren Raubtierblick und wachte vollends auf. Wieder rief ihr Vater, dieses Mal aus nächster Nähe. Plötzlich von einer unerklärlichen Schüchternheit gepackt und dankbar für diesen Rettungsanker, löste sie sich hastig von Konstantin von Bernitt und bat ihn, sie wieder in den Saal zu führen. Ihr Vater wies sie mit kurzen Worten zurecht, dass es sehr unschicklich für eine junge Dame sei, sich allein mit einem Mann zurückzuziehen, auch wenn es ein Graf von Bernitt war. Mit hochrotem Gesicht floh sie in die Bibliothek.
    Im blauen Dämmerlicht stand sie am Fenster, die heiße Stirn ans kühle Glas gepresst, und versuchte, mit diesen ungeahnten, 63
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    sinnverwirrenden Gefühlen fertig zu werden, die der Kuss von Konstantin in ihr hervorgerufen hatte.

    *
Wie jemand, der aus einem tiefen Schlaf erwacht, kehrte sie aus der Vergangenheit zurück auf das schwankende Schiff in die Mitte des Kongos.
    Der Wind spielte in den Blättern der Uferbäume, raschelte durch die Palmwedel, raunte im Ried. »Bella caris- sima«, flüsterte er. »Meine Liebste.«
    Verstohlen strich sie jetzt über ihre Lippen, die immer noch von der Berührung mit den seinen zu brennen schienen. Spontan schlug sie das Blatt mit der halb fertigen Skizze des Reptils um, nahm ihren Stift wieder auf und begann mit einem verträumten Lächeln zu zeichnen. Sie strichelte und schraffierte, setzte einen Schatten hier, einen stärkeren Akzent dort, und obwohl es nur angedeutet war, war bald ein Gesicht zu erkennen. Das Gesicht eines jungen Mannes mit glänzenden schwarzen Haaren und Oberlippenbart und einem unverschämten Funkeln in den dunklen Augen.
    Er lächelte leicht, zeigte kräftige Zähne zwischen ausgeprägten, vollen Lippen. Langsam ließ sie den Stift sinken, fühlte wieder diese flüssige Hitze in ihren Adern, die nichts mit dem heißen Atem des Urwalds zu tun hatte.
    Sorgfältig trennte sie das Blatt aus dem Zeichenblock und legte es in ihr Tagebuch. Die aufgeschlagene Seite leuchtete ihr weiß und unbeschrieben entgegen. Wie mein Leben, schoss es ihr durch den Kopf.
    Ihr Blick glitt über den Horizont und weiter hinauf in den gleißenden afrikanischen Himmel. Geblendet schloss sie die Lider, und plötzlich hörte sie wieder Musik, wo nur das Rauschen des Flusses war, sah Lichter, wo keine sein konnten. Der faulige Atem des Urwalds schien nach Rosen zu duften, und sie wirbelte über das Parkett eines kerzengeschmückten Saals, spürte die Hände dieses Mannes fest auf ihrer Haut, seine Lippen auf ihrem Mund. Sie glühte, ihre Haut brannte, als wäre sie einer Kerze zu nahe gekommen. Wo mochte er sich jetzt aufhalten?
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    Vier Tage nach der Ballnacht waren sie am Fuß des Strass- berg'schen Gartens verabredet gewesen. Niemand wusste davon, und den ganzen Tag klopfte ihr Herz. Kaum konnte sie ihre Vorfreude vor den neugierigen Schafsaugen der Strassberg-Töchter verbergen.
    »Seht doch, sie hat sich in Konstantin von Bernitt verliebt«, rief die spitznasige Margarethe in die Runde ihrer feixenden Schwestern, als sich die Damen zum Nachmittagstee im blauen Salon eingefunden hatten.
    Frau Strassberg zog die Brauen hoch, während sie ihre Teetasse, die aus so dünnem Porzellan war, dass das Licht durchschien, zierlich zum Mund führte. »Meine Liebe, das hoffe ich doch nicht, denn dieser Konstantin ist ein rechter Hallodri«, bemerkte sie.
    Margarethe ließ ihre boshaft funkelnden Äuglein auf Catherine ruhen.
    »Ach, Mama, rede doch nicht so geziert daher, sag doch einfach, wie es ist.
    Er hat Freundinnen.« Sie versah dieses Wort mit inhaltsschwerer Betonung. Die wurstförmig gerollten Schläfenlocken über ihren Ohren bebten. »Es ist doch so, nicht? Du bist für ihn entbrannt. Gib es doch zu.«
    Fast empfand Catherine Mitleid, denn es war offensichtlich, dass Margarethe den Grafen bis zum Wahnsinn liebte. »Aber wo denkst du hin«, antwortete sie wegwerfend. »Du hast mir doch selbst gesagt, dass er eine Frau mit Geld sucht, und jeder weiß, dass mein Papa nicht reich ist. Es wäre also ganz und gar

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